Konzert:"Wieso pogen die nicht?"

Konzert: Als "Teenager vom Mars" ziehen "Fettes Brot" derzeit durch die Konzerthallen.

Als "Teenager vom Mars" ziehen "Fettes Brot" derzeit durch die Konzerthallen.

(Foto: Jens H.)

Sie beschweren sich über den Neo-Konservatismus der Jungen, finden starke Frauen toll und setzen sich für geflohene Menschen ein: die Hamburger Rapper von "Fettes Brot"

Von Michael Zirnstein

Wer das neue Video von Fettes Brot kannte, durfte sich fragen, ob es eine gute Idee war, die drei Hamburger Rap-Lümmel zum Konzert "Wir. Stimmen für geflüchtete Menschen" auf dem Münchner Königsplatz einzuladen. Nach vielen Inkarnationen in ihrer 22-jährigen Karriere als Bette Frost, Schreck Pistols, die Punkband D.O.C.H. oder etwa Sven, Sven und Sven erscheinen sie im aktuellen Clip dem Song-Titel entsprechend als "Teenager vom Mars".

Mit der Ankündigung, dem anwesenden Jungvolk die Brustwarzen umzudrehen, mischen sie als rabaukige Außerirdische eine Party auf, deren Höhepunkt erreicht ist, als einige Frauen obenrum blankziehen und Laser-Strahlen aus den Brüsten verschießen. Wohl auch, weil die drei Hip-Hopper am Ende noch schleimige Alien-Eier legen, habe die Internetseite Youtube das Video gesperrt und eine jugendfreie Version gefordert, sagen Doktor Renz, König Boris und Björn Beton. Den Sexismus-Vorwurf finden sie freilich ungerechtfertigt. Schließlich sei jede H&M-Werbung pornografischer (was sie einst im Song "Bettina, zieh dich bitte wieder an" anprangerten). Und man müsse ihr Science-Fiction-Trash-Video in einem künstlerischen Gesamtkontext sehen, womit Youtube wohl überfordert sei.

"3 is ne Party", hatten Fettes Brot auf ihrem Comeback-Album 2013 verkündet. Und es stimmt schon, dass sie mit Hip-Hop-Pop wie "Nordisch by Nature", "Jein", "Schwule Mädchen" und der - auch auf den Fußballer Owomoyela umgedichteten - Stadionhymne "Emanuela" jede Tanzfläche auf den Kopf stellen können, wie dereinst von den Beasty Boys gefordert. Aber wäre das angemessen bei einem so sinnstiftend-besinnlichen Anlass wie dem Wir-Konzert auf dem Königsplatz? Unbedingt. Abgesehen vom Zeichensetzen ging es Fettes Brot mit ihrem Auftritt vor allem ums Danke-Sagen an die Helfer, und das ging besser mit Feierlaune als mit betroffenem Dreinschauen.

Zu allererst wollen sie unterhalten, sagen sie. Aber eben nicht so seifenrein wie "Abrissbirne Helene" und die gegenwärtige Schlagerwelle, in der ein "Fünfzigerjahre-Weltbild vorgespielt werde". Bedenklich sei dies gerade deshalb, weil dieser Heile-Welt-Singsang wieder ein Massenphänomen sei, "das wird dann ein gesellschaftlicher Wunsch nach einer sehr aufgeräumten Welt". Etwas platter formulieren sie es in einem Song der neuen Platte: "Alle hör'n jetzt Schlager, da werd' ich ja zum Schläger." Natürlich darf und soll Pop locker sein und machen, sie achten die Protest-Schlager vor dem Zweiten Weltkrieg, verehren Manfred Krug als klugen Sänger und haben mit James Last Musik gemacht. "So finden wir Popmusik am spannendsten, wenn in einem unterhaltsamen Kleid aus Soul, Funk und guter Laune interessante Fragen gestellt werden", sagen sie. Genau das tue auch Science-Fiction - womit man wieder beim aktuellen achten Album "Teenager vom Mars" landet.

Als eine Art Ältestenrat der Jugend betrachten die drei Ü-40-Rapper im Titelsong pubertäres Gehabe von außen. Sie, die Hamburger Marxisten-Bengel, beschweren sich über die Neo-Konservatismus der Jungen: "Ihr seid so auf Schönheit, Geld und gute Noten erpicht/Alle tanzen nur Standard, wieso pogen die nicht?" Und wenn sie als Alien schon eine Welt übernehmen wollen, dann bitte eine "ohne Drohnenkrieg, Stacheldraht und Supermarktreklame". In anderen Songs finden sie starke Frauen toll, mit denen man auch mal Nazis verhauen kann, sie stänkern gegen AfD-Wähler, Pegida-Mitläufer und "die braune Soße in Europa", und sie machen sich für geflohene Menschen stark. So feiert man auf der guten Seite.

Fettes Brot, Dienstag, 17. November, 20 Uhr, Zenith, Lilienthalallee 29

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