Konzert:Seriös, aber effektvoll

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Autokino war gestern. Autokonzert ist der Trend von heute. Und die Kulisse der Feldherrnhalle bietet auch noch das passende Breitwandformat. (Foto: Robert Haas)

Der zweite Abend von Klassik am Odeonsplatz mit den Philharmonikern

Von Michael Stallknecht, München

Valery Gergiev scheint Freude zu haben an "Klassik am Odeonsplatz". Schon das zweite Jahr in Folge führte der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker sein Orchester selbst durch das Klassik-Open-Air. Dabei ist es alles andere als ein Spaßprogramm, das er für das zweite Konzert am Sonntagabend gewählt hat: Johannes Brahms' Erstes Klavierkonzert und Modest Mussorgskijs "Bilder einer Ausstellung" gehören zu den bekannteren klassischen Werken, könnten aber ebenso gut ein seriöses Konzertprogramm in der Philharmonie bilden. Und genauso ernsthaft dirigiert Gergiev sie auch, lässt zwischen den drei Sätzen des langen Klavierkonzerts in der ersten Hälfte keinen Beifall zu und riskiert obendrein eine Langsamkeit, die auch schiefgehen könnte in diesem Ambiente. Doch die 8000 Zuhörer auf dem Odeonsplatz lauschen mit einer Gespanntheit, bei der ein ruhig den Himmel querendes Segelflugzeug schon fast zum Störenfried wird.

Denn zum einen vermag Gergiev solche langsamen Tempi voller Binnenspannung durchzutragen, zum anderen werden sie von den Philharmonikern mit exquisiten Klangmischungen gefüllt, wie selbst im verflachenden Lautsprecherklang zu hören ist. Es ist ein Brahms aus tiefenromantischer Versenkung, der perfekt ins Breitwandformat der Feldherrnhalle passt, aber sich nie zu falscher oder verlogener Größe versteigt. Die Klaviersolistin Yuja Wang bringt zudem die zwei Eigenschaften mit, mit denen sich nicht nur auf dem Odeonsplatz punkten lässt: eine exorbitante Virtuosität und einen Anschlag von träumerischer Schönheit. Doch die chinesisch-amerikanische Pianistin verliert die Struktur darüber nicht aus den Augen, kann ihren Anschlag stufenlos in ein kraftvolles Forte steigern, auch rhythmisch markant zupacken. Letzteres tut sie denn auch bei der Zugabe im berüchtigten Finale aus Prokofjews Siebter Klaviersonate, dessen Schwierigkeiten sie anschließend mit einer absurd artistischen Bearbeitung von Mozarts "Rondo alla Turca" noch einmal übertrumpft.

Für die Philharmoniker ist Klassik am Odeonsplatz immer auch der letzte Auftritt vor der Sommerpause. Die reiche Instrumentation von Mussorgskijs "Bildern" aus der Feder Maurice Ravels kommt da gerade recht, können hier doch besonders die Bläser in ausgiebigen Soli noch einmal ihr Können zeigen. Gergiev kostet die Orchesterfarben voll aus, bleibt aber gleichzeitig rhythmisch straff. So geraten die Bilder enorm unterschiedlich und abwechslungsreich, jedes einzelne aber so vollplastisch, dass man es vor dem inneren Auge sieht. Man spürt da auch den erfahrenen Operndirigenten Gergiev durch, der Effektsicherheit ohne Effekthascherei zu erzielen vermag. Aus dem Musiktheater kommen denn auch die Zugaben: das Andante maestoso aus dem Grand Pas de Deux in Tschaikowskys "Nussknacker" und die Ouvertüre zu Michail Glinkas "Ruslan und Ludmilla". Im nächsten Jahr will Gergiev übrigens laut Ankündigung bereits auf den Odeonsplatz zurückkehren, dann mit David Garrett als Solist.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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