Konzert:Pop-Perfektionisten

Toto

Bevor die Zeit ihnen davonläuft, erinnern sich David Paich, Joseph Williams, Steve Lukather und Steve Porcaro (v. l.) noch einmal an die besten "Toto"-Jahre.

(Foto: Global Concerts)

Neuanfang mit alten Kollegen: Im März haben "Toto" wieder ein Album veröffentlicht - am Mittwoch spielt die Band in der Olympiahalle

Von Christian Jooß-Bernau

In jener Zeit konnten Alben mit der Wucht eines Meteoriten vom Himmel fallen und einen rauchenden Krater hinterlassen. So war das im Frühling 1982. Auf dem ochsenblutroten Cover: ein Schwert, dekorativ umspielt von vier Ringen. Wobei jeder Ring für eines ihrer Alben stand. Schlicht "IV" hatten sie das neue genannt. Eine Assoziationsspanne insgesamt, die von König Artus zum Fantasy-Kitsch zum Größenwahn reichte. Behaupten kann eine Rockband ja vieles - eingelöst wird es normalerweise nie. Toto allerdings hatten Druck. Ihre Plattenfirma Columbia wollte nun endlich Charterfolge sehen. Bevor man die Band rauswarf, ließ man noch einmal Geld fließen. Und mit dem schoben sich Toto in unerhörte technologische Dimensionen. War bis dahin das Aufnehmen auf 24 Spuren meist Maß aller Dinge gewesen, koppelten Toto jetzt drei 24-Spur-Geräte.

1982 - ein Jahr in dem die 80er durchstarteten. "Everybody" - hieß die erste Single zu piependen Synthesizern, die in ihrer lyrischen Holprigkeit und ereignislosen Länge noch nicht ahnen ließ, was aus Madonna werden sollte. Dafür haute ein anderer ein Weltrekord-Album auf den Markt. "Thriller" ist, was von Michael Jackson bleibt, wenn alles andere vergeht. "Thriller" allerdings verdankt seinen zeitlos zeitverhafteten Sound wesentlich drei Musikern: Steve Lukather und den Brüdern Jeff und Steve Porcaro. Diese Jungs konnte man als Studiomusiker buchen. Und nebenbei versuchten sie, ihre eigene Band in die Erfolgszone zu hieven: Toto. "IV" wurde zum Kulminationspunkt ihrer Karriere. Mit drei Singles, an denen Besitzer eines Radios nicht vorbeikamen. Und wenn sie es sich noch so wünschten: "Rosanna", "Make Believe", "Africa" und "I Won't Hold You Back". Dem koksenden Sänger Bobby Kimball wurde irgendwann gekündigt. Bassist David Hungate verließ die hochtourige Maschine für Ruhe und Familie. Der Anfang eines langen Wechselspiels, an dessen Ende nur noch Gitarrist Steve Lukather die Stellung hielt und auf einen traurigen, seelenlosen Rest blickte. 2008 war die Band am Ende. Lukather erholte sich mit seiner Solokarriere.

Im diesem März erschien "Toto XIV". Ein Neonschwert montiert auf einer Art Ziffernblatt schwebt über einem unheimlich heimeligen Tordurchgang. Eine Tür mit Nummer 14. Im Hintergrund wachsen Hochhäuser einer High-Tech-Metropole in den Himmel. Man ahnt: Auf seine verschwurbelte Art ist das alles sehr symbolisch. Es ist ein Gruß aus einem anderen Pop-Zeitalter in dem man während des Hörens der Platte Muße für die hohe Geheimkunst der Cover-Deutung hatte. Tiefsinn für alle. Wie einst bei den Doors gibt es hier einen "21st Century Blues". Wobei der Bluesanteil - wenig erstaunlich bei Toto - eher Zitat ist, der Pop sich dekadent räkelt, während es um die große Maschine und die großen Lügen geht. "Running Out Of Time" heißt der erste Song, der in kompromissloser Umsetzung des Titels sein Vanitas-Motiv durchspielt. Das menschliche Rappeln und Zappeln, es ist eitel. Und die Zeit endlich. Dies wäre die eine, küchenphilosophische Seite. Aber man fällt als Hörer eben in diesen Song und Sound. Versinkt in ihm daunenkissengleich, während um einen die Töne wirbeln wie Federn.

"Running Out Of Time" - sicher ist das nicht zufällig der erste Song des neuen Albums. 2010 hatte sich die Band für eine kleine Europatournee zusammengefunden, um ihren ehemaligen Bassisten Mike Porcaro zu unterstützen, der an der Nervenkrankheit ALS litt. Porcaros Stundenglas lief am 15. März ab. Das Erscheinen des neuen Albums erlebte er nicht mehr. An seiner Stelle spielt auf dem Album die Urbesetzung David Hungate. Auf Tour steht Bruder Steve Porcaro an den Keyboards. Keyboarder David Paich ist auch wieder dabei. Und Sänger Joseph Williams. Ein Fast-Original. Er hatte seinerzeit Bobby Kimball beerbt.

Bis zu 200 Spuren pro Song haben Toto auf dem neuen Album übereinandergeschichtet. In Zeiten ökonomischer Sparzwänge ist das einfach unverschämt maßlos. Und macht deshalb auch stellenweise unverschämt Spaß. Ganz bestimmt stehen Toto damit quer zum Zeitgeist. Der nämlich kann sich so eine Produktion einfach nicht mehr leisten. Man muss nicht drum herum reden - seit ihrem Debüt von 1978 war diese Band vielen Hörern und Kritikern suspekt. Erstaunlich, was für eine stilistische Breite der Erstling einnimmt und was für spiel- und produktionstechnische uncoole Perfektion da aus den Boxen drückt. Steve Lukather ist bis heute der Mann für die Cover von Gitarren-Fachmagazinen. Hier ist kein Platz für die demokratische Punk-Idee, jeder könne Popstar sein. Hier zeigten Studiomusiker, was sie draufhaben. Einerseits. Und andererseits ist da diese Abwesenheit von Stargehabe und Lässigkeit. Jeder ordnet sich der Idee des Songs unter. Disziplin und Perfektion - unterschwellig natürlich immer schon Tugenden der Bands hinter den Stars, lösten den Traum von wilden Kerlen ab. Toto waren eher Firma als Rockband. Rückblickend war das kein Verrat, sondern ehrlich.

Toto, Mittwoch, 8. Juli, 20.30 Uhr, Olympiahalle

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