Konzert in Pjöngjang:So begeistert Laibach die Nordkoreaner

Ein provokative europäische Band in Pjöngjang, der Hauptstadt einer Diktatur. Wie passt das zusammen? Sehen Sie selbst.

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Laibach band performs in North Korea

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Am Anfang hielten selbst Experten das Ganze für einen PR-Gag. Eine europäische Band, und dann auch noch die Provokateure von "Laibach" - in Nordkorea? In jenem Land, das seit Jahrzehnten diktatorisch regiert wird, dessen politische Führung das Volk unterdrückt und hungern lässt, das Land, in dem Oppositionelle und selbst Regierungsmitglieder, die in Ungnade gefallen sind, ermordet werden?

Aber tatsächlich: In dieser Woche reiste die slowenische Band nach Pjöngjang. Im Gepäck ihre obligatorischen Fantasieuniformen, die an verschiedene totalitäre Systeme angelehnt sind. In der Vergangenheit brachte das der Band immer wieder den Vorwurf ein, nationalsozialistisches Gedankengut zu pflegen. Labelchef Daniel Miller erklärte die künstlerische Idee der Gruppe im Interview mit der SZ jüngst so: "Der Band ging es schon immer darum, an Tabus zu rühren, und das mit großer Kunstfertigkeit, mit Polemik und Satire. Man darf ihren Humor nie unterschätzen. Wer etwas ohne Humor ernst nimmt, nimmt es nicht richtig ernst."

Und weil Laibach ihre Sache seit Jahrzehnten sehr ernst nehmen, standen sie nun auf einem Platz in Pjöngjang und posierten fürs Erinnerungsfoto.

Slowenische Popgruppe Laibach - Regisseur Morten Traavik

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Initiiert wurde der Trip in eines der abgeschottetsten Länder der Welt vom norwegischen Regisseur Morten Traavik (im Bild). Traavik ist nicht unumstritten: In der Vergangenheit veranstaltete er immer wieder Projekte in Nordkorea beziehungsweise solche, die sich mit dem System Nordkorea beschäftigen. 2012 ließ er norwegische Soldaten auf Befehl nordkoreanischer Instruktoren Aufstellung nehmen - eine militärische Massenperformance nach dem Vorbild Nordkoreas, die zeigen sollten, wie der Einzelne im Kollektiv aufgeht. Und im vergangenen Jahr plante er - in Kooperation mit dem Regime - eine Kunstakademie in Pjöngjang; Künstler wie Pussy-Riot und Ai Weiwei sollten dort allerdings ebenso ausgeschlossen sein wie abstrakte Maler. Kritiker werfen Traavik Naivität im Umgang mit dem Regime vor.

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Traavik zufolge wurden Laibach von den nordkoreanischen Behörden anlässlich der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Weltkriegsendes eingeladen. Doch warum erlaubt die Führung um Kim Jong Un einer subversiven Band wie Laibach, Konzerte im Land zu spielen? Pjöngjang äußert sich naturgemäß nicht und so liegt die Erklärung nahe, dass sich die Regierung vom äußeren Eindruck der Band täuschen ließ. Aber ist es wirklich so einfach? Laibach kündigten vor den Konzerten an, eine "freundlichere Version" ihres Schaffens zu präsentieren. Gleichzeitig versicherte Bandmitglied Ivan Novak in einem AP-Interview: "Egal, wo wir auftreten, wir unterstützen nie das Regime des Landes, sondern nur die Menschen, die dort leben."

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45 Minuten waren Laibach dann am Mittwochabend auf der Bühne, in einem, wie kolportiert wurde, mit 1500 Zuhörern vollbesetzten Konzertsaal in Pjöngjang. Die Band spielte vor allem Cover-Versionen, neben Liedern aus dem Musical "The Sound of Music" den Beatles-Song "Across the Universe" und "The Final Countdown" von Europe.

Die Handlung von "The Sound of Music" ist zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland angesiedelt: Die Familie Trapp flieht vor den Nazis zunächst in die Schweiz und schließlich in die USA. "Es gibt eine Botschaft hinter der Musik, nämlich die, dass Musik Menschen zusammenbringen kann, selbst in den widrigsten Umständen", erklärte Organisator Traavik die Musikauswahl.

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Sängerin Mina Špiler trat in einem traditionellen koreanischen Kleid auf. Nicht die einzige Annäherung an die Gastgeber - Laibach spielten auch eine eigene Version des koreanischen Volksliedes "Arirang". Zur Freude der Zuhörer. Konzertbesucher Hwang Yong Ran sagte der AP, er sei überrascht gewesen von der Musik: "Natürlich unterscheidet sie sich sehr von unserem Geschmack. Aber es war schön, 'Arirang' zu hören." Und der Rest des Publikums?

Laibach in Nordkorea

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Nun, in Nordkorea ist es nicht üblich, bei Konzerten vom Sitz aufzuspringen oder zu klatschen. So sagt dieses Bild noch nichts über Erfolg oder Misserfolg aus.

"Ich kann mir vorstellen, dass die meisten absolut keine Ahnung hatten, was sie erwartet", sagte Simon Cockerell von der Pekinger Reiseagentur Koryo Tours, die für die Show Kurztrips nach Pjöngjang organisiert hatte. Außer 150 Besuchern aus dem Ausland - Diplomaten, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Touristen - hätten nur Einheimische das Konzert von Laibach im Pongwha-Theater besucht, so Cockerell. Um wen es sich dabei handelte, sei schwierig zu sagen, doch seien kaum Uniformen zu sehen gewesen.

Laibach band performs in North Korea

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Bandmitglied Novak zeigte sich nach dem Konzert zufrieden: "Ich denke, am Ende haben wir mehr erreicht, als wir erwartet hatten. Ich weiß nicht, wie viel, welche Spur wir hier hinterlassen werden, aber, wissen Sie, es ist ein großer Schritt für - nein, es ist ein kleiner Schritt für Laibach, und ein großer Schritt für die Menschheit." Novak benutzt den doppeldeutigen Begriff "humanity" - der auch mit Menschlichkeit übersetzt werden kann.

An diesem Donnerstag wollen Laibach ein weiteres Konzert in Pjöngjang spielen.

Mit Material der Agenturen AP, AFP und dpa

© SZ.de/jobr/cag
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