Konzert in Berlin:Al Bano, Romina und die Tränen

Deutschland-Comeback von Al Bano und Romina Power

Das erste gemeinsame Konzert nach 20 Jahren: Al Bano und Romina Power auf der Waldbühne in Berlin.

(Foto: Gregor Fischer/dpa)

Sie trennte ein Familiendrama, nun stehen Al Bano und Romina Power zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder zusammen in Deutschland auf der Bühne. Und rühren das Publikum immer noch.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Es gab Ende der 80er Jahre diese grandiose Kaffeewerbung, an die man manchmal denkt, wenn die Mondsichel am Nachthimmel besonders klar zu erkennen ist. Das nennt man wohl einen Coup in der Werbebranche: Ziemlich egal, für welche Kaffeemischung damals geworben wurde, aber den Spot und den unvergesslichen Song von Cole Porter, Night and Day, haben viele immer noch im Ohr, wenn sie einen besonders romantischen Mondschein erleben.

Laut war's, der Mond schien helle

Einen besseren Mondschein als diesen hätte sich Al Bano und Romina Power auch nicht aussuchen können für ihre Wiedervereinigung in Berlin am Freitagabend: Über den steinernen Rängen der Waldbühne schien der fast halbe Mond am Ende so romantisch, dass er sämtliche Videoeinspielungen des einstigen Traumpaars des Italo-Pop in den Schatten stellte.

Wobei die alten Bilder aus den 80er Jahren natürlich unbedingt dazu gehören: Al Bano und Romina in Pink, Al Bano und Romina in geringelten T-Shirts am Strand, Al Bano und Romina noch ganz jung und glatt in Schwarz-Weiß, er lächelt selig, sie strahlt wie die liebliche Sonne Italiens.

Die wenigen jüngeren Gäste unter den rund 8000 Fans im nicht ganz ausverkauften Open-Air-Konzert dürften sich gewundert haben, dass es nur so wenige Fotos von den beiden gibt, die das zweieinhalbstündige Nostalgie-Spektakel an diesem Abend illustrieren, weshalb immer wieder dieselben Bilder auf den Monitoren neben der Bühne gezeigt werden. Aber so war das nun mal in den 80ern: Stars wurden noch nicht im Sekundentakt abgelichtet, sondern Bilder wurden gestellt. Und Promi-Selfies waren noch ein Fremdwort.

Italien - einstiger Sehnsuchtsort der Deutschen

Überhaupt, Italien war zu ihrer Hoch-Zeit noch unangefochtener Liebling und absoluter Sehnsuchtsort der Deutschen. Riminis alter Glanz strahlte, die Toskana galt nicht nur Studienräten als Paradies, Rom war vor Berlusconi die schönste ewige Stadt der Welt. Die Italiener hatten Lebensfreude und Romantik im Überfluss zu bieten, und all das manifestierte sich in dem Pärchen Al Bano und Romina Power: "Ich war 13, als ich in Italien vom Film entdeckt wurde, und mit 17 lernte ich bei einem Dreh diesen italienischen Sänger kennen ...", erzählt Romina mit verschmitztem Lächeln auf der Bühne in Berlin. Da schmelzen die Herzen im Publikum.

Denn sie wissen ja: Diese Geschichte ist eine besondere, und viele sind an diesem Abend auch genau deshalb hier. Nicht nur wegen der Musik, die sie in ihre eigene Jugend entführt. Sondern auch wegen der persönlichen Historie dieses außergewöhnlichen Paares: Er, Sohn eines süditalienischen Bauern, von eher unauffälliger Gestalt aber mit starker Stimme und sie, Amerikanerin, trägt unverkennbar die so glatten wie ausdrucksstarken Züge ihres berühmten Vaters Tyrone Power, einem Hollywoodstar aus den 50ern, und ihrer schönen Mutter Linda Christian, ebenfalls Schauspielerin.

1968 lernen sich Al Bano Carrisi und Romina Francesca Power kennen, von da an gibt es die beiden nur noch im Doppelpack. 1970 heiraten sie und setzen nicht nur vier Töchter, sondern auch mehrere Hits in die Welt.

Glückseligkeit hat mehrere Namen: Al Bano und Romina Power

Während sich 1976 beim Eurovision Song Contest noch die halbe Welt wundert, was "die Schönheit mit dem Homunkulus will", wie es später eine Tagesspiegel-Autorin formuliert, sind spätestens 1982 alle Zweifel gebrochen. Felicità! Das pure Glück strahlen die beiden aus, und sie singen auch ständig davon. Italo-Pop erobert die Welt, und Albano und Romina Power sind seine bildschöne Mutter und der glückliche Vater. Sempre, Sempre wollen sie zusammen bleiben, verkünden sie dem Universum.

Und eine ganze Weile geht das auch gut. Doch als 1994 plötzlich ihre älteste Tochter mit 23 Jahren wie vom Erdboden verschluckt wird und nie wieder auftaucht, kommt der Bruch. Was ihre Fans nie für möglich gehalten hätten: Die ewige Liebe aus der ewigen Stadt in dem ewig schönen Land, wo die Zitronen blühen, sie bricht.

Und plötzlich ist der Traum zu Ende

Al Bano Power und Ylenia Carrisi

Dieses undatierte Archivbild zeigt die verschwundene Tochter Ylenia Carrisi mit ihrem Vater Al Bano.

(Foto: dpa)

1999 trennt sich das Traumpaar. Während sie weiterhin glaubt, dass ihre Tochter noch lebt, ist er davon überzeugt, sie habe sich umgebracht. Es folgt ein Rosenkrieg, sie wirft ihm vor, sie stets eifersüchtig und diktatorisch behandelt zu haben, er findet neue Amore und bekommt neue Kinder. Der Traum ist aus.

Umso unglaublicher, dass die beiden jetzt wieder zusammen auf der Bühne stehen. 2013 brachte sie ein russischer Impresario in Moskau für ein gemeinsames Konzert wieder zusammen, es gab seitdem ein paar holprige Versuche auch in Italien, das alte Glück auf der Bühne wiederzubeleben. Doch jetzt, in Berlin, bei ihren treuen deutschen Fans in der wiedervereinigten Stadt, da gelingt auch die Wiedervereinigung des einstigen Traumpaares ganz zauberhaft.

Sie habe Yoga gemacht, ihre Mutter gepflegt und zum Buddhismus gefunden, verkündete Romina Power im Interview vorab, das habe ihr geholfen, mit ihrem Ex wieder besser umgehen zu können. Night and Day, sie haben beides erlebt, die hellen und die dunklen Tage. Und die beiden machen das ziemlich gut: Erst trällert er auf der Bühne eine halbe Stunde seine Arien, dann erscheint sie, ganz in Weiß, und das Publikum rastet aus vor Begeisterung. Anders als früher betonen sie nun ihre Gegensätze, auch musikalisch. Sie singt und spricht auf Englisch, begleitet von Gitarrenmusik, er spricht nur Italienisch und singt diesen sirenenhaften Pizzabäcker-Tenor, begleitet von Streichern.

"I Love You!" schmettert er

"Azzuro", "Ave Maria", "O Sole Mio" - Al Bano weiß, was deutsche Fans von einem echten Italiano wollen. Manchmal scheint seine Stimme an ihrer Kraft fast zu brechen, doch dann kriegt er nochmal die Kurve, und das Publikum feiert ihn dafür mit frenetischem Applaus. Die 72 Lenze sieht man ihm kaum an, das Haar trägt er jetzt auf dem Hinterkopf, aber noch voll und wieder dunkel.

Romina hingegen, 63, ist im Gegensatz zu früher blond, trägt ihre Mähne wie eine Hollywood-Diva sanft gewellt und wallende Gewänder. Sie zieht sich zweimal um, während ihr ehemaliger Göttergatte Herzschmerz trällert, und sieht inzwischen auf der Bühne und von weitem aus wie Grazia Patrizia, wenn es der vergönnt gewesen wäre, über 60 zu werden. Trotz ihres voluminösen Auftritts und obwohl sie auf Deutsch ein rührseliges Gedicht über Liebe, Tod und Mutterschaft "für alle Mütter hier" vorträgt, bringt Romina Leichtigkeit ins Programm: Ihre neuen Lieder sind lockerer als der frühere Schmalz, und auch sie selbst wirkt befreit und verspielt.

Al Bano und Romina Power

Das italienische Gesangsduo Al Bano und Romina Power posiert in Berlin für einen Fotografen.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Romina bringt Leichtigkeit ins Programm

Ein italienischer Moderator hatte zuletzt die beiden gebeten, sich auf der Bühne zu küssen, was einigermaßen peinlich für alle Beteiligten gewesen sein soll, wird aus Italien berichtet. Dort vermutet man auch, das Ex-Paar würde nur wieder zusammen auftreten, weil es Geld brauche.

Doch in Berlin klappt die Wiederannäherung gut: Er macht Scherze, sie zieht ihn auf. Er schmettert wacker seine Arien, sie hüpft fröhlich und beschwingt über die Bühne und trägt auch schon mal Blues bei. Er schreit "I Love You!" in einer niedlichen italienischen Version von "Somethin' Stupid" - und sie bleibt trotzdem ein bisschen kühl. Das Schauspiel wurde ihr ganz offensichtlich in die Wiege gelegt, und sie spielt prächtig auf der Klaviatur der Ex-Frau, die immer noch umgarnt wird. Zur Freude des Publikums, das jede Annäherung der beiden rührselig goutiert. Am Ende duellieren sich die beiden im Nahtanz - und gestandene Männer stehen auf der Tribüne und klatschen johlend in die Hände. Gibt es sie am Ende doch, die ewige Liebe?

Das ist in diesem Fall unwahrscheinlich, und es kommt hier auch vor allem auf eines an: Nostalgie. Als endlich ihr größter Hit "Felicità" ertönt, reißt es die Zuschauer von den Rängen. Ein älteres Paar, ganz in Ocker, rastet discofoxmäßig aus, eine einzelne Dame tanzt selbstvergessen mit ihrem Tuch, angetan schunkeln und schwofen mittelalte Männer im Takt. Ein paar jüngere Damen lassen sich zu Musical-Moves vor der Bühne hinreißen, sogar auf der Pressetribüne, sonst eher ein nüchterner Bereich, filmen schwelgende Herren ihre italienischen Freundinnen beim lautstarken Mitsingen mit dem Smartphone. Am Eingang, wo vor einem Konzert immer die mitgebrachten Getränkeflaschen abgelegt werden, fanden sich diesmal besonders viele Prosecco-Piccolöchen. Jetzt wird alles rausgehauen: "Sempre, sempre", "Ci sarà", "Sharazan", es gibt kein Halten mehr, die 80er, sie sind sind wieder da.

Maschine kaputt? Eigentlich nicht

Und als ob das alles noch nicht genug wäre, holt Al Bano am Ende noch ein paar Fans auf die Bühne, lässt sie am gedeckten Tisch Platz nehmen wie zum letzten Abendmahl und serviert ihnen selbst angebauten Wein. Die italienische Familie hat Platz für alle, auch wenn sie selbst gar keine mehr ist. "Danke, dass ihr euch an uns erinnert - und danke, dass ihr uns nie vergessen habt", sagt Romina zum Schluss, nach einem letzten Mal Felicità - und schwebt von dannen.

"Eine Mann ohne Liebe und auch eine Frau ohne Liebe: Maschin' kaputt", hat sich Al Bano an diesem Abend mehrfach an der deutschen Sprache und an einem gar nicht mal so neuen Witz versucht. Nach diesem Abend muss man sagen: Das stimmt so nicht. Die alte Maschine läuft noch ganz gut.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: