Konzert:Herrliche Monströsität

Konzert: Absolute Perfektion: Pianist Daniil Trifonov.

Absolute Perfektion: Pianist Daniil Trifonov.

(Foto: Dario Acosta/Deutsche Grammophon)

Der Rachmaninow-Zyklus mit dem Pianisten Daniil Trifonov

Von Andreas PernpeintnER

Trifonovs und Gergievs Rachmaninow-Zyklus dritter Teil: Die Geschichte, die der Pianist Daniil Trifonov bei Rachmaninows drittem Klavierkonzert mit dem Mariinsky Orchester Sankt Petersburg unter der Leitung von Valery Gergiev in der ausverkauften Gasteig-Philharmonie erzählt, ist eine große Geschichte. Das liegt natürlich zunächst einmal an Rachmaninow. Denn ein so langes Klavierkonzert mit so aberwitzig vielen Tönen zu füllen, dass selbst lieblich lyrische Melodien des Klaviers so gut wie nie ohne flink perlende Umspielung auskommen und der Klavierpart auf diese Weise selbst im Langsamen beängstigend schnell ist - das muss eine große Geschichte werden. Dass Trifonov diese herrliche Monstrosität eines Klavierkonzerts selbst im virtuos Absurden mit absoluter Perfektion spielt, ist so frappierend wie typisch für ihn. Dass Gergiev und das Orchester (übrigens auf angestammtem Stuhl mit Münchens Philharmoniker-Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici, praktischerweise auch erster Gastkonzertmeister in St. Petersburg) nach anfänglicher Tempouneinigkeit mit dem Solisten bestens interagieren, kommt eindrucksverstärkend hinzu.

Was aber diese Darbietung so hervorhebt, ist ihre Dramaturgie. Natürlich im Detail, indem Trifonov herrliche Spannungsbögen ausschreitet, kein melodisches Zwischenereignis verloren gibt, dynamische Verläufe über Minuten aufbaut und auskostet. Vor allem aber ist es die aufs ganze Werk gesehene große Dramaturgie, die bewegt: Schon im ersten Satz sitzt Trifonov zwar in typisch gebeugter Trifonov-Haltung nahe über der Klaviatur, doch wahrt sein Spiel - so wirkt es - zur Musik hier noch kühle Distanz. Geradezu dunkel und technisch trocken durchexerziert, prasseln die Klanggebilde aus dem Klavier. Als aber die Musik im Adagio zur Besinnung kommt, beginnt Trifonov ihre Nähe zuzulassen, taucht ein, formt, genießt. Trifonov und dieses Klavierkonzert nähern sich einander Schritt für Schritt an - bis sie im dritten Satz voneinander übermannt werden. Trifonov von Rachmaninow und definitiv auch Rachmaninow von Trifonov.

Hinterher steht Trifonov zerzaust vor dem Flügel und der Saal Kopf - auch das gehört noch zum Existenziellen dieses Konzerterlebnisses dazu. Wenn man Rachmaninows dritte Symphonie anschließend irgendwie überflüssig findet, mag man der Symphonie unrecht tun, trotzdem ist's nicht falsch. Ganz zauberhaft aber rundet Wagners "Lohengrin"-Vorspiel als Orchesterzugabe dieses Konzert ab. Ein Vorspiel als großes Versprechen auf etwas, das Trifonov an diesem Abend schon eingelöst hat.

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