Konzert:Demokratie wagen

Yaara Tal, Andreas Groethuysen

Yaara Tal und Andreas Groethuysen teilen sich zwei Klaviere und ein Leben.

(Foto: OH)

Yaara Tal und Andreas Groethuysen präsentieren im Münchner Herkulessaal Reinhard Febels zeitgenössische Studien zu Bachs "Kunst der Fuge"

Von Egbert Tholl

Natürlich weiß Yaara Tal die nächtsliegende Frage: Bachs "Kunst der Fuge" ist ein so komplexes, endgültiges und unendlich weites Kompendium - wie kann man auf die Idee kommen, daran weiter zu arbeiten? Nun ja, vermutlich schon allein deshalb, weil die "Kunst der Fuge" so ein herausragendes Kunstwerk ist.

Reinhard Febel, geboren 1952, hat sich mit dem Werk beschäftigt. Und eigentlich auf die Idee gebracht hatten ihn Yaara Tal und Andreas Groethuysen selber, das Paar, das symbiotisch zwei Klaviere und ein Leben teilt. Das erste Ergebnis dieser Idee präsentierten die beiden bereits 2015 bei den Ansbacher Bachwochen. Und Yaara Tal hat auch einen festen Plan für den vollendeten Umgang mit Febels Studien: "Wir werden in Konzerten Erfahrung sammeln und das Werk in zwei Jahren einspielen. Frühestens. Es ist saumäßig schwer." Ein Teil dieser Erfahrungen wird das Konzert am Donnerstag, 23. November, im Herkulessaal sein. Neben Teilen von Febels Bach-Studien spielen sie dort Griegs Bearbeitung einer Mozart-Sonate, Debussys Sicht auf Schumann und Saint-Saëns Variationen über ein Thema von Beethoven. Also nur Stücke, die jeweils ein Komponistenkollege für vierhändiges Klavierspiel bearbeitete.

"Febel komponiert, als würde er die Vorlage durch einen musikalischen Fleischwolf drehen." Diesen Satz von Yaara Tal sollte man sich nicht zu martialisch vorstellen, man sollte sich dazu den Schalk in Tals Stimme mitdenken. Febel nehme die Vorlage sehr ernst, verändere jede einzelne der 14 Fugen und der vier Kanons nach einem bestimmten Prinzip. Mal versetze er die Obertonreihe, mal arbeite er mit rein musikalischen Parametern, immer jedoch höre man das Original durch. Er zerlege die Vorlage in die Bestandteile und füge sie wieder zusammen.

Vor allem rhythmisch sei diese Ehrerweisung vor Bach höchst anspruchsvoll. Sie erinnere Tal an Klavier-Stücke von Ligeti oder auch an Colon Nancarrows Stücke für mechanisches Klavier. Dabei sei Febel selbst ein guter Pianist, "er komponiert, was machbar ist". Nur halt machbar am äußersten Ende pianistischer Fähigkeiten. Aber Yaara Tal und Andreas Groethuysen wussten, was auf sie zukommt: Febel hat schon vor 17 Jahren sieben Choralvorspiele Bachs für sie umgeschrieben, damals für ein Klavier, aber zu vier Händen.

Es ist auch ein Komponieren aus dem musikantischen Moment heraus. Da kann der klangliche Effekt so tun, als kämen die beiden Spieler nicht zusammen, oder eine vermeintlich störende Zusatzstimme gewinnt mehr und mehr an Frechheit, um kurz vor Schluss des Contrapunkts polternd das Weite zu suchen. Dazu komme für Tal noch eine Art Demokratisierung: "Der Ideenkern der Fuge ist die Hierarchie. Die Themen sind die Herrscher, und der Rest ist Episode. Bei Febel sind nach De- und darauf folgender Rekonstruktion vom Ständekampf her gesehen alle gleichberechtigt."

Yaara Tal und Andreas Groethuysen, Reinhard Febels "Studien für zwei Klaviere nach Bachs Kunst der Fuge" u.a., Donnerstag, 23. November, 19.30 Uhr, Herkulessaal der Residenz

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