Konzert:Das Fräulein singt

Theresa Weber als hinreißende Schnitzler-Figur Else

Von Eva-Elisabeth Fischer

Am Beginn dieser dramatischen 50 Minuten im Akademietheater gibt es noch einen Tisch mit vier Gedecken, der das Dinner andeutet, zu dem sich das Fräulein Else, zwei kecke Federn im Haar, in ihrer altrosa Robe gleich niedersetzen wird. Es präludiert ein Pianist, Liviu Petcu, wie er in Grandhotels für den musikalischen Hintergrund sorgt, mit beiläufiger Diskretion "Für Elise" und dann immer wieder einen Chopin-Walzer. Dreimal begleitet er auch das singende Fräulein.

Im Mittelpunkt des Abends steht der innere Monolog der jungen Wiener Urlauberin in einem Südtiroler Hotel, den Schnitzler 1924 als Novelle niedergeschrieben hat. Die tragische Geschichte ist schnell erzählt. Elses Mutter schreibt der Tochter in einem Brief von den beträchtlichen Spielschulden des Vaters und gibt ihr auf, das Geld vom reichen Kunsthändler Dorsday zu erbitten. Dorsday bewilligt Else die Summe von 30 000 Gulden unter der Bedingung, sie nackt sehen zu dürfen. Das Fräulein Else offenbart also die widerstrebenden Empfindungen seines jungen 19-jährigen Lebens, hin-und hergerissen zwischen Freiheitsdrang und anerzogenerer weiblicher Fügsamkeit. Hier eben auch singend. Theresa Weber, eine bildhübsche Münchnerin mit veilchenblauen Augen und mit 23 nur wenig älter als die literarische Figur, ist Musical-Master-Studentin an der Theaterakademie August Everding, liebreizend und zweifellos ein großes Talent. Ihr fülliger Sopran bestrickt im Piano, neigt in der Mittellage allerdings stark zum Tremolo. Ihre wohlartikulierte Sprechstimme bestrickt hier weit mehr.

In der Inszenierung von Christian Sedlmayer steht sie am Ende in blutbesprenkelten (Büßer-)Hemdchen da, nun kein Fräulein mehr, sondern eine geschändete Frau. Else musste sich offenbar, anders als bei Schnitzler, bis zum Letzten prostituieren. Das unterläuft Schnitzlers Strategie des Uneindeutigen. Sein Fräulein Else hat auch eine exhibitionistische Lust, wünscht sich statt Kindern drei Liebhaber und ein selbstbestimmtes Leben. Das Opfer für ihren Vater löscht ihre Träume aus. Sie schluckt Veronal. Und es bleibt offen auch hier, ob ihr das Schlafmittel nur ein Delir oder den Tod beschert. Denn das Fräulein Else träumte anfangs doch auch vom Haschisch-Rausch, von Haschisch, schwelgerisch betont auf der zweiten Silbe.

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