Konzert:Aus Vorfreude wird Glück

Brad Mehldau und Chris Thile im Prinzregententheater

Von Oliver Hochkeppel

Es war eines dieser Konzerte mit hohem Vorfreude-Faktor, der Auftritt von Brad Mehldau und Chris Thile im Prinzregententheater. Der wichtigste, obendrein das romantische deutsche Gemüt aufwühlende Improvisator am Klavier nach Keith Jarrett und ein virtuoser, stiloffener Exot an der Mandoline im Duett, das versprach ein spannendes Kuriosum. Eine ganz sichere Sache war es nicht, schlug das Pendel bei Mehldaus Duos doch bereits in beide Richtungen aus: zu Sternstunden mit Joshua Redman, oder in die Enttäuschung mit Pat Metheny.

Schon mit dem ersten Stück, dem gemeinsam komponierten "The Old Shade Tree", verflogen aber alle Zweifel. Wie sich Thiles zunächst tonlos gezupftes Instrument - das ohnehin eher wie eine flachgelegte, ohne Bogen gespielte Geige als etwas Gitarrenartiges klingt - mit den sparsamen Akkorden des wie immer versunken und eigentlich viel zu niedrig vor dem Flügel sitzenden Mehldau verbanden, wie dann Thiles schneidende, mitunter in extreme Höhen vordringende Stimme Schwung hereinbrachte, bis beide mit rasanter Instrumentalartistik auf die Zielgerade gingen, das war bereits einzigartig. Auf den ersten Blick setzte das Repertoire fast schon populistisch auf Melodie. Neben Thiles im Bluegrass wurzelnden und Mehldaus traumverhangenen Songs erklangen erlesene Singer/Songwriter-Preziosen wie "Independence Day" des früh verstorbenen Elliot Smith, Fiona Apples "Fast As You Can" oder Bob Dylans "Scarlet Town" - und das in nostalgischen, fast anachronistischen Rahmungen. Bis zurück zu Stride und Ragtime bewegte sich Mehldau, Thiles Instrument konnte ohnehin nicht aus seiner folkloristischen Haut.

Wie frei die beiden begnadeten Eklektiker dann aber mit diesem beinahe archaischen Material umgingen, welch chromatische Abenteuer und rhythmische Geistesblitze Mehldau, welche eigentlich unspielbaren Attacken und bezaubernd melancholischen Wendungen Thile im Augenblick einflochten, jeweils genauestens aufeinander hörend und unfehlbar begleitend, das war schlicht umwerfend. So ergab sich eine seltene, bei solch hohem Pop-Anteil nie gehörte musikalische Freiheit, ein Parforceritt zwischen Spannung und Entspannung. Und so wurde aus Vorfreude anhaltendes Glück.

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