Konstantin Grcic im Interview:"Design ist eine Form des Denkens"

Für eine bessere Welt braucht es Designer, findet Konstantin Grcic. Denn sie überlegen, wie man Dinge anders machen kann. Der Schöpfer des Design-Stuhls Chair One über Verantwortung, Irrtümer, Geschmack und die Frage, ob die Gestaltung von Möbeln und Produkten wirklich das Leben verändern kann.

Laura Weißmüller

Die Konferenz 'Munich Creative Business Week' stellt von 7. bis 12. Februar die Frage, was Design im 21. Jahrhundert bedeuten und welche Verantwortung Design haben kann. Konstantin Grcic, 46, macht sich darüber schon lange Gedanken. Bekannt wurde Grcic, der in München arbeitet, mit Objekten wie der Mayday-Lampe oder dem Chair One, die als Meisterwerke gelten, weil sie das Neue in der Gegenwart reflektieren.

Konstantin Grcic

"Warum sieht man denn immer noch diesen blöden Eames-Stuhl in all diesen Wohnungen?", fragt Industriedesigner Konstantin Grcic.

(Foto: Markus Jans)

Süddeutsche Zeitung: Ehrlich gesagt, bin ich enttäuscht: Da will ich mit Ihnen über zeitgenössisches Design sprechen und das erste, was ich in ihrem Büro sehe ist ein Klassiker.

Konstantin Grcic: Stimmt, das ist Boby, ein Klassiker von Joe Colombo. Ein ziemlich tolles Teil. Es funktioniert heute überhaupt nicht mehr, aber das stört mich nicht. Ich lebe gerne mit Dingen, die gar nicht so gut funktionieren. Solche Produkte haben etwas, an dem man sich reiben kann. Dadurch bleiben die lebendig.

SZ: Wer die angesagten Wohnblogs studierte, die einen in die Wohnzimmer der Kreativen dieser Welt gucken lassen, sieht auch allerhand Designklassiker. Lebendig wirkt das allerdings nicht.

Grcic: Ich finde es schwierig, wenn so getan wird, als würden wir alle so leben. Als wären wir überhaupt alle kreativ. Oder als würden wir alle in Berlin leben, das stimmt doch alles nicht. Was mich aber noch viel wütender macht: Wenn wir schon sagen, wir interessieren uns nur für die kreativen Menschen, dann erwarte ich von kreativen Menschen mehr als das, was da gezeigt wird. Ich finde es total enttäuschend, wenn jemand, der so viel mit dem heutigen Leben zu tun hat, sich total vor dem verschließt, was eigentlich wirklich sein könnte. Warum sieht man denn immer noch diesen blöden Eames Stuhl in all diesen Wohnungen? Natürlich ist der gut, aber der ist 50 Jahre alt!

SZ: Aber mal ganz ehrlich: Will man als Designer nicht einmal auch so einen Eames Stuhl entwerfen?

Grcic: Natürlich will man das. Das ist ein ganz großartiger Entwurf ...

SZ: Ich meine eher, ob man nicht auch mal etwas entwerfen will, worauf sich alle einigen können, was alle wollen?

Grcic: Der Eames Stuhl ist ein 'oldtime classic' wie in der Musik, ein wirklicher Hit. Ich mag Popmusik, gerade auch dafür, dass sie so populär ist. Aber die Musik, die ich eigentlich mag, ist die Musik, die immer ein bisschen außerhalb vom Mainstream ist. Jetzt muss man natürlich fairer Weise sagen, dass Eames anfangs auch außerhalb des Mainstreams war. Der war wirklich einer der ersten Industriedesigner für Möbel. Früher gab's noch Thonet. Aber selbst Marcel Breuer und Bauhaus haben nur davon geträumt. Eames war tatsächlich ein Industriedesigner, der wollte diesen universellen Stuhl sicher machen. Aber ich habe nie den Anspruch, dass ein Produkt ein One for all wird. Das interessiert mich überhaupt nicht. Ich finde Dinge viel wichtiger, die stärker polarisieren.

Ausdruck von Lebenswandel

SZ: Sie sagen, der Eames Stuhl ist ein 'oldtime classic'. Gibt es dann also doch den zeitlosen Klassiker - ich dachte den Begriff würden sie mir um die Ohren hauen.

Konstantin Grcic im Interview: Ein Stuhl, der mehr ist als nur ein Möbelstück: Grcics Chair One.

Ein Stuhl, der mehr ist als nur ein Möbelstück: Grcics Chair One.

(Foto: KGID)

Grcic: Doch, natürlich gibt es den. Der Eames Stuhl ist vermutlich einer, Boby nicht. Möbel sind seltsame Dinge: Einerseits Ausdruck von Lebenswandel und Zeitgeist, aber andererseits haben sie sich in ihrer Art als Archetyp eigentlich nicht verändert. Auch die Ägypter haben schon einen Stuhl gebaut, der eine Sitzfläche, eine Rückenlehne und vier Beine hatte. Gleichzeitig macht man Designgeschichte an Möbeln und nicht an Produkten fest. Das liegt vielleicht daran, dass Möbel mehr mit unserem Leben zu tun haben als ein Mixer, der in der Küche steht. Das Leben, das aktuelle, zeitgenössische, das definiert sich über Möbel. Dadurch ist Möbel auch immer Avantgarde.

SZ: Aber wenn das so ist, ist es dann nicht doch deprimierend, dass die die kreative Elite immer noch in den fünfziger Jahre Klassikern lebt?

Grcic: Das ist total deprimierend. Aber es gibt auch Leute, die unglaublich modern leben. Auch die Menschen mit ihrem Apartamento-Berlin-Mitte-Style leben ja modern. Aber das Modernste, das ich daran finde, ist, dass unsere heutige Zeit bedeutet, dass Dinge nicht aus einem Guss sein müssen, sondern sie sich aus vielen Puzzlesteinen zusammensetzen können und dadurch sehr vielschichtig und durchaus widersprüchlich werden. Das finde ich auch den Reiz und den Reichtum unserer Kultur, aber ich möchte dann bitte auch einmal sehen, dass der Eames Stuhl neben einen wahnsinnig neuen Stuhl von irgendjemanden steht.

SZ: Was ist zeitgenössisches Design für Sie?

Grcic: In der Beschreibung meiner Arbeit benutze ich das Wort Realität oder real fast inflationär, aber das, was unser Leben jetzt und hier bestimmt, ist eben eine Realität, die interessiert mich, an der kann ich mich reiben. Entweder man akzeptiert sie oder man sieht sie als Herausforderung, weitergehen zu wollen, aus den scheinbaren Regeln auszubrechen, bestimmte Grenzen zu überschreiten. Zeitgemäß hat viel mit unserem Leben zu tun. So ein Kasten wie Boby ist sicherlich ein ganz schönes Beispiel. Das war damals ein radikales Möbelstück und sehr neu. In seiner ganzen Konzeption, Aufteilung und in dem, was das Ding kann, reflektiert es das, was es damals können musste. Das hat sich einfach total verändert. Deswegen macht es durchaus Sinn, so ein Teil nochmal zu überarbeiten.

SZ: Boby war damals extrem zugeschnitten auf den Architekten aus dieser Zeit. Für viele verschmelzen heute die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit.

Grcic: Für mich war immer mein persönlicher Wunsch, dass Leben und Arbeit eins ist. Das hier ist nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern das ist auch mein Leben. Mobiliar reflektiert das. Allgemein verändert sich das Büro ja in diese Richtung. Da zieht gerade das Private ein. Möbel reagieren darauf. Das hat viel damit zu tun, wie wir Dinge benützen. Aber auch mit der Frage, was ist überhaupt Arbeit? Was ist ein Arbeitstag? Und was ist der Ort, an dem ich arbeite? Ist das meine Küche zu Hause ein Cafe oder ist es das Büro in der Firma?

SZ: Reagieren Designer denn genug auf diese radikalen Umwälzungen?

Grcic: Das Problem sind nicht die Designer, sondern alles was daran hängt. Designer sind ja längst nicht mehr nur Gestalter im Sinne der Form, Designer sind eigentlich vor allem auch Denker. Leute, die solche Veränderungen aufnehmen, verarbeiten, in Konzepte verwandeln und daraus Vorschläge machen. Das sind die Designer. Dann gibt es aber auch die Industrie, die dem Designer einen Platz geben muss und an seine Ideen glauben. Den Markt, der darauf reagieren muss. Und dann gibt es neben dem sogenannten End-User, auch noch die Firmen, die die Konzepte zur Möblierung der Büros ausarbeiten. Deswegen kann man das nicht verallgemeinern, wer jeweils die Bremse im System ist.

"Design ist ein Impulsgeber"

SZ: Aber es gibt Bremsen.

Grcic: Klar gibt es die, überall. Sonst würden wir ja in der fast perfekten Welt leben. Und das tun wir natürlich nicht. Es gibt sie und sie sind extrem frustrierend. Aber es gibt auch eine menschliche, fast sympathische Langsamkeit, dass diese Dinge ihre Zeit brauchen. Die Welt funktioniert so. Es gibt immer irgendwo die Vorreiter. Das hat etwas mit Avantgarde zu tun. Veränderung kann man nicht breit implementieren, es gibt immer eine Sperrspitze, eine kleine Gruppe von Menschen, die etwas anders machen und daran glauben. Von dort aus verändert sich das.

SZ: Idealerweise führt uns also der Designer zu einer fast perfekten Welt.

Grcic: Es gibt natürlich nicht mehr den Designer, der weiß wie es besser ist und dann wird es genau so gemacht und alle sind glücklich. Unsere Welt funktioniert heute über die Gleichzeitigkeit von ganz vielen richtigen Lösungen. Designer spielen eine wichtige Rolle darin, dass sich unsere Welt immer weiter entwickelt und verbessert. Die stehen am Anfang von Systemen, stellen die Fragen und überlegen, wie man Dinge anders machen könnte. Deswegen braucht es Designer für diese bessere Welt, aber es ist natürlich Quatsch zu sagen, dass die Designer die bessere Welt verantworten sollten.

SZ: Mateo Kries beklagt in seinem Buch "Total Design" eine Inflation moderner Gestaltung. Gibt es ein Zuviel an Design?

Grcic: Ich finde es zu einfach, dagegen zu argumentieren. Nach dem Motto: Es gibt zu viel Design, wir haben doch alles. Darin liegt nämlich die Gefahr, dass Design, was so wichtig ist und so gut sein kann, in die Negativecke gesteckt wird. Und das wird es sowieso sehr oft: Design funktioniert nicht, Design macht alles teuer, Design ist nur Verpackung. All diese Vorurteile und Klischees. Natürlich gibt es von Design auch ganz viel und man könnte sagen, es gibt zu viel schlechtes Design. Aber ich würde immer dafür kämpfen wollen, zu zeigen, dass es wahnsinnig gutes Design gibt. Unser Leben ist so viel besser, wie es jemals war und das hat auch mit Design zu tun. Weil Design ein Impulsgeber ist, ein Katalysator für Dinge, die sich verändern. Design spielt eine Rolle in der Umsetzung von Ideen. Ob physisch in Form von Produkten oder aber in der Gestaltung von Systemen.

SZ: Das hört sich sehr generell an. Haben Sie eine Definition für sich, was Design ist?

Grcic: Nicht so parat.

SZ: Dann versuchen wir es mit einer Annäherung. Darf Design Statussymbol sein?

Grcic: Ja klar! Es ist eben das, über was man sich definiert. Manches ist echt, das bin wirklich ich, anderes ist Ausdruck von Träumen, von einer fiktiven Identität. Man lebt auch immer über die eigenen Verhältnisse oder über die eigenen Möglichkeiten. Wir reden ja jetzt nicht über dicke Autos, sondern über den Eames Stuhl oder Chair One von mir oder einen von Jasper Morrison. Wenn das Statussymbole sind, ist das doch schön.

SZ: Aber gerade in Deutschland hat man das Gefühl, dass es nur Status ist und gar nichts mehr anderes. Anders als etwa in Ländern wie Finnland, wo der Alvar Aalto Hocker und die Gläser von Kaj Franck überall stehen. Dort ist Design Alltag.

Grcic: Da finde ich den Umgang mit dem Eames Stuhl hierzulande aber noch besser... Ich kann mich erinnern, dass ich bei meinen ersten Reisen nach Skandinavien total begeistert war, aber inzwischen langweilt es mich ohne Ende. Die kommen von ihrem Alvar Aalto-Hocker überhaupt nicht mehr weg. Das Schöne an Alvar Aalto, an modernem Design - und damals war's wirklich modern - war wohl, dass man es gut fand, es passte in das Leben und deswegen ist es Alltag geworden.

Ein Stuhl als Ikone

SZ: Darf Design Kunst sein?

Grcic: Da kann ich mit Eames antworten, der sagte, Design ist nicht Kunst, aber gutes Design kann durchaus die Qualität eines Kunstwerks haben. Das kann man auch über seinen Stuhl sagen. Das ist erst einmal pures Design, dann hat es aber auch eine Qualität, die weit darüber hinausgeht, dass das nur ein Stuhl ist. So ein Plastikstuhle wird plötzlich zu einer Ikone wie eine Skulptur. Deswegen wandert er ja auch in die ganzen Wohnungen in Berlin Mitte.

SZ: Wie steht es mit den Designmessen, etwa der Design Miami?

Grcic: Das ist nichts, womit ich mich besonders identifiziere. Aber ich habe kein Problem damit, das Design zu nennen. Interessanter ist aber das, was im Moment passiert. Die jungen Designer wollen ihr Zeug realisieren und anstelle sich bei einer Firma anstellen zu lassen machen sie es lieber selber. Das Produkt muss es noch nicht einmal geben, man postet einfach Bilder, die man aus dem Computer generiert. So werden Dinge Realität, die eigentlich gar nicht real sind. Memphis war ein ähnliches Phänomen. Das war eine Strömung, die unheimlich populär war in den achtziger Jahren. Es wirkte als ob es damals nur Memphis Design gab, dabei gab es eigentlich nur ein paar Prototypen. Das war der Anfang von einer medialen Verbreiterung. Die Fotos waren überall. Heute ist das noch viel stärker.

SZ: Und was ist mit Design Thinking? Eine Stadt wie Helsinki versucht sogar ganze Stadtviertel damit neu zu planen. Kann Design wirklich die Denkstruktur fürs 21. Jahrhundert liefern?

Grcic: Das würde ich sofort unterstützen. Einfach weil Design ganz stark etwas mit Analyse zu tun hat, mit dem rationalem Auffassen von Dingen, um daraus dann etwas Neuem zu machen. Das tut jemand, der einen neuen Stuhl entwirft, aber das tut auch jemand, der an der Logistik arbeitet. Man könnte deswegen sagen, Finnland versucht über Design Thinking alles noch mal anzuschauen und zu überlegen, warum die Dinge so sind wie sie sind und wenn man das verändert, welche Konsequenz das auf viele andere Dinge hat. Design ist mal das Kreieren von ganz neuen Dingen, aber manchmal auch nur das Justieren von kleinen Stellschrauben.

SZ: Klingt, als wäre das, was Design ist und was Design sein kann, zeitlos.

Grcic: Es gibt bestimmte Werte, die in einer bestimmten Handlung sind. Das versteht man schon bei den alten Griechen oder den Ägyptern, die Wahnsinniges geschaffen haben. Auf dem bauen wir immer noch auf und irgendwann sind wir vielleicht die alten Ägypter, weil wir irgendetwas gemacht haben, was in 2000 Jahren auch noch anerkannt ist als etwas, was die Menschheitsgeschichte weitergebracht hat. Ich glaube daran, dass Design gut ist und dazu beiträgt, dass wir der Evolution helfen. Gutes Design war immer schon bewusst was Ressourcen angeht, was Nachhaltigkeit angeht. Das ist keine Erfindung der letzten 20 Jahre. Heute spricht man nur mehr darüber. Das ist auch gut, weil es manchmal Begriffe und Definitionen braucht, die das Bewusstsein stärken und prägen.

SZ: Das grüne Label, das gerade überall draufpappt, reicht also?

Grcic: Natürlich nicht, aber es schadet nicht. Natürlich gibt es viele Scharlatane. Da steht dann grün drauf, obwohl es das gar nicht ist. Aber es ist so kompliziert, wirklich zu bewerten, ob etwas nachhaltig ist. Ein nachwachsender Rohstoff macht ein Produkt nicht automatisch nachhaltig. Es geht um ganz viele Aspekte. Was macht man damit? Wo wird das verwendet? Das muss man alles sehr differenziert sehen.

Nicht nur rational und funktional

SZ: Was ist dann die Verantwortung der Designer?

Grcic: Wenn ich das auf eine Formel runterbrechen würde, dann entgeht mir viel. Aber Verantwortung spielt im Design natürlich eine Rolle, wir sind Teil eines Systems, wir produzieren Sachen. Ich bin verantwortlich dafür, dass Dinge produziert werden. Bedeutet meine Verantwortung also, dass ich sage, ich höre auf zu designen, weil ich nicht will, dass mehr produziert wird? Das ist doch Quatsch! Meine Verantwortung könnte eher sein, dass ich dafür sorge, dass Dinge, die wir verantworten, dass sie produziert werden, zumindest gut sind. Das ist ja manchmal gar nicht möglich. Ich habe mit Firmen zu tun, die strampeln sich wirklich ab und trotzdem sind die noch weit weg davon entfernt, wirklich Öko-Vorzeige-Firmen zu sein. Aber sie geben sich Mühe. Mit denen kann man einen Weg gehen, aber eben in kleinen Schritten.

SZ: Wie sieht dann so ein Schritt aus?

Grcic: Das fängt ganz von vorne an: Was entwirft man überhaupt? Wie entwerfen wir einen neuen Stuhl, der auf diese Firma passt? Ist es das richtige Produkt für den, der den Stuhl irgendwann einmal kauft und nutzt? Wie wird er eigentlich produziert in dieser Firma? An wen verkaufen die eigentlich? Verkaufen die in der Region oder haben die aus irgendeinem seltsamen Grund eine Fangemeinde in Japan? Das heißt alles, was wir machen, geht auf ein Containerschiff nach Japan. Das ist dann etwas ganz anderes als wenn eine Firma ihre Stühle im Umkreis von 100 Kilometern verkauft. E geht immer um den speziellen Fall, der seine eigenen Bedingungen und Regeln hat. Innerhalb dieser Regeln können wir als Designer der Firma helfen, richtige Entscheidungen zu treffen. Auch darin liegt eine Verantwortung.

SZ: Laut Max Bill haben die Designer im Zeitalter der Massenkonsumgüter auch die Verantwortung für das kulturelle Niveau eines Landes.

Grcic: Das stimmt, aber trotzdem ist dieses Zitat aus einer anderen Zeit und hat einen anderen Anspruch: Den Anspruch der Richtigkeit. Damals gab es noch die gute Form, die für alle gut sein sollte. Aber die gibt es heute nicht mehr. Und ich finde es gut, dass es die nicht mehr gibt.

SZ: Aber was ist mit Ihren frühen Produkten wie dem Wäschekorb 2 Hands oder dem Eimer H2O - waren das nicht klassische Massenprodukte. Schöne Güter für alle?

Grcic: 2 Hands war überhaupt nicht so erfolgreich, es war kein Massenprodukt, aber es gab Leute, die fanden das Ding total toll. Für die war das ein Ausdruck, ein Statement. Das hat mich ermutigt. Den Eimer für alle, das machen Firmen wie Leifheit. Den findet man nicht schön, aber den kauft man, weil er funktioniert und sowieso in der Abstellkammer landet. Das sind schreckliche Produkte, aber das sind absolute Massenprodukte, die sind massentauglich und massenkompatibel und lösen alle Probleme, die so ein Eimer hat. Das sind Dinge, die einem im Leben überhaupt nichts bedeuten. Natürlich geht es nicht darum, alles immer nur schön zu machen. Aber es gibt Dinge von Designern, die sind einfach mehr als nur Problemlöser, die sind mehr als das Rationale, Funktionale, Praktische einer Problemstellung. Das ist nicht nur eine Formel. Sonst würden sie ja alle Apple-Produkte machen oder Jasper Morrison-Stühle oder Alvar Aalto-Hocker. Am Schluss war's wirklich nur Alvar Aalto, der diesen blöden Hocker gemacht hat, der so gut ist. Oder Eames. Die waren auch unheimlich rational und trotzdem waren sie mehr als das. Das ist die Qualität dieser Produkte und ich glaube, das sind die Dinge, die wir brauchen in der Welt.

SZ: Also brauchen wir doch noch mehr Design?

Grcic: Ja, und zwar Dinge, mit denen wir wirklich leben wollen, die wir schön finden, mit denen wir uns auch identifizieren. Identifikation ist ein ganz wichtiger Teil, es ist die Magie, die von gutem Design ausgeht. Dass wir uns plötzlich mit so einem Ding, das ja eigentlich nur Materie, nur Material ist, identifizieren. Wir finden das passt zu uns, das gehört in mein Leben und wenn ich darauf sitze fühle ich mich wohl.

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