Konflikt um Suhrkamp-Verlag:Neuer Ton in der Debatte

Die Liste ist illuster: Peter Sloterdijk, Jürgen Habermas und Judith Butler sind nur drei der 160 Wissenschaftsautoren, die sich nun in einem offenen Brief gesammelt in den Suhrkamp-Streit einschalten. Anders als ihre Schriftstellerkollegen formulieren sie eine dritte Position.

Von Jens Bisky, Berlin

Der Fall Suhrkamp

Im Streit zwischen den Gesellschaftern des Suhrkamp-Verlags haben sich am Freitag Autorinnen und Autoren des Wissenschaftsprogramms zu Wort gemeldet. "Eigentum verpflichtet!" ist der Aufruf überschrieben - und er bringt einen neuen Ton in die Debatte. Anders als ihre Schriftstellerkollegen, Peter Handke etwa oder Rainald Goetz, ergreifen die Wissenschaftler nicht Partei für die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz. Auch verzichten sie darauf, den Minderheitsgesellschafter Hans Barlach zu kritisieren oder herabzusetzen. Im Interesse der Institution Suhrkamp Verlag, an deren Fortbestand den mehr als 160 Unterzeichnern gelegen ist, wird eine dritte Position formuliert, der Standpunkt der Vernunft eingenommen.

Fassungslos seien sie "angesichts der rechtlichen Vorgänge", doch wird die Fassungslosigkeit nicht durch rhetorische Aufrüstung kompensiert: "Es erfüllt uns mit großer Sorge, dass die Existenz des wichtigsten Forums für kritische Geistes- und Sozialwissenschaften in Deutschland vom Ausgang eines Rechtsstreits abhängig gemacht wird, in dem zwei Parteien ihre Konflikte mit Mitteln zu lösen versuchen, die dafür ungeeignet sind."

Unterzeichnet haben die Philosophen Axel Honneth, Peter Sloterdijk und Jürgen Habermas, Dieter Henrich und der Kanadier Charles Taylor, die israelische Soziologin Eva Illouz, die Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston, die Literaturwissenschaftler Winfried Mennighaus und Jochen Hörisch, der Romanist Hans Ulrich Gumbrecht, Judith Butler und Wolfgang Streeck und viele, sehr viele mehr. Die vollständige Liste kann unter www.hinsichten.de eingesehen werden. Wer sie mustert, gewinnt einen Eindruck vom Reichtum der gern gelobten und ebenso gern verabschiedeten "Suhrkamp-Kultur".

Drei Momente dieser Tradition, ohne die das Land ein anderes wäre, werden benannt: die Pflege der vom Nationalsozialismus nicht korrumpierten Traditionen deutschsprachiger Geistes- und Sozialwissenschaften, die Verbreitung französischer und angelsächsischer Theorien und die kritische Diskussion. Das kulturelle Vermächtnis des "einzigartigen Gebildes" Suhrkamp Verlag sei für "das intellektuelle Leben in Deutschland viel zu wichtig, als dass es den Risiken eines fortgesetzten Rechtsstreits ausgeliefert werden dürfte". Der Aufruf schließt: "Wir begrüßen die Suche nach einem Vermittler, der für beide Seiten akzeptabel ist."

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