Konflikt um Suhrkamp-Verlag:Das Ende einer Illusion

Suhrkamp Villa

Das Klingelschild zur Privatvilla von Ulla Unseld-Berkéwicz, aufgenommen am 13. Dezember in Berlin.

(Foto: dpa)

Die heute veröffentlichte Urteilsbegründung des Berliner Landgerichts in Sachen Suhrkamp hat zwei Seiten. Sie ist deprimierend, weil daraus hervorgeht, wie fahrlässig die Geschäftsführung des Verlags der Eskalation des Konflikts zugearbeitet hat. Aber auch erhellend, weil sie einen Ausweg andeutet.

Von Lothar Müller

An diesem Mittwoch hat das Berliner Landgericht auf seiner Website die Urteilsbegründungen in der Causa Suhrkamp veröffentlicht. Sie sind eine ebenso deprimierende wie erhellende Lektüre. Deprimierend, weil daraus hervorgeht, wie fahrlässig die Suhrkamp-Geschäftsführung um Ulla Unseld-Berkéwicz der Eskalation des Konflikts mit dem Minderheitsgesellschafter Barlach zugearbeitet hat. Erhellend, weil zugleich hervortritt, wie ein Ausweg aus diesem Konflikt gefunden werden könnte.

Beginnen wir mit dem Deprimierenden. Das Gericht bescheinigt der Suhrkamp-Geschäftsführung, die Anmietung der Privatvilla der Verlegerin sei "eine schwerwiegende Verletzung der Geschäftsführerpflichten" gewesen. Es nennt eine Reihe von Begründungs-, Beteiligungs- und Informationspflichten, die missachtet wurden. Zusätzlich zur Abberufung der Geschäftsführer und ihrer Verurteilung zum Schadenersatz kassiert das Gericht ihre Entlastung für das Jahr 2010: Ulla Unseld-Berkéwicz übte dabei ein Stimmrecht aus, das sie gar nicht besaß.

Es war übel, wie vor Jahren Ulla Unseld-Berkéwicz in die Böse-Witwe- und Hexenmythologie eingesponnen wurde. Die Dämonisierung des Unternehmers Hans Barlach, die nun manche Suhrkamp-Autoren betreiben, ist nicht weniger von Klischees durchsetzt. "Der Mietvertrag über die Räume war in keinem Geschäftsplan berücksichtigt": Man muss kein Unhold sein, um dagegen als Minderheitsgesellschafter seine Rechte zu wahren. Dass Barlach das Zeug zum Suhrkamp-Verleger nicht hat und überaus konfliktfreudig ist, verurteilt ihn nicht dazu, auf Rechte zu verzichten.

Zur Entspannungspolitik übergehen

Damit kommen wir zum Erhellenden. Es liegt in der Zerstörung der Illusion, der Mehrheitsgesellschafter sei im Konfliktfall immer der Stärkere. Ulla Unseld-Berkéwicz scheint dieser Illusion angehangen zu haben. An ihre Stelle setzt das Gericht seine Urteile zugunsten des Minderheitsgesellschafters - und die Rückführung beider Konfliktparteien auf die gemeinsamen Interessen. Sie wurden letztmals im November 2009 formuliert. Und das gemeinsame Ziel war: angesichts der finanziellen Lage des Verlags die Kosten nachhaltig zu reduzieren. Darauf kommt das Gericht mehrmals zurück.

Statt auf die Revision der Urteile zu setzen, sollte Ulla Unseld-Berkéwicz von der illusionären Roll-Back-Strategie zur Entspannungspolitik übergehen. Ein Mediator, den auch Barlach nicht ablehnen könnte, ohne seine erklärte Bereitschaft zum Gespräch zu dementieren, müsste sich finden lassen. Die vor einem Frankfurter Gericht anhängigen wechselseitigen Ausschlussklagen lassen sich zurücknehmen. Erst dann kann wieder hart verhandelt werden: über die Einsetzung einer Geschäftsführung, die dem Geist des Hauses Suhrkamp verpflichtet ist.

Der Fall Suhrkamp

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