Münchner Kammerspiele:Allzeit gut überwacht

Holly Herndon

Holly Herndon (rechts) und ihre Band.

(Foto: Bennet Perez)

"Sensible Daten": In den Münchner Kammerspielen kreist man mit Diskussionen, Performance und Pop um Sicherheit und Unsicherheit im Internet.

Von Christiane Lutz

Daten. Ein ganz schön vager Begriff ist das, der seit einigen Jahren für ganz schön viel Aufregung sorgt. Facebook speichert unsere Daten. Daten sind die neue Währung. Datenklau bei diesem oder jenen E-Mail-Anbieter. Welche Daten da genau gemeint sind, hängt immer vom Kontext ab. Es sind die Spuren, die wir hinterlassen. Im Netz oder draußen, freiwillig oder nicht.

Die Kammerspiele beweisen wieder mal ihr Faible für den Diskurs aktueller Themen und veranschlagen gleich ein ganzes Wochenende, an dem sie sich dem Thema "Sensible Daten - Die Kunst der Überwachung" widmen. "Es soll eine Konferenz mit künstlerischen Anteilen werden", sagt der Kurator Tobi Müller, der hauptsächlich als Journalist arbeitet. Er hat die Konferenz gemeinsam mit Sarah Harrison, Mitarbeiterin von Wikileaks, vorbereitet, außerdem sind die Bundeszentrale für politische Bildung und das Goethe-Institut mit dabei.

Von Freitag, 20., bis Sonntag, 22. Januar, wird in verschiedenen Panels diskutiert, finden ein paar Workshops statt und gibt es zwischendurch ein Popkonzert und eine Performance zu sehen. Letztere ist eine Doppel-Performance von Oliver Zahn und heißt "Situation mit ausgestrecktem Arm & Situation mit Doppelgänger". In beiden beschäftigt er sich mit Gesten - einmal mit dem ausgestreckten Arm, einmal mit besonderen Tanz-Arten - und deren Symbolhaftigkeit.

Also: Kann ein ausgestreckter Arm noch etwas anderes sein als der Hitlergruß? Am Freitagabend tritt außerdem die amerikanische Sängerin und Komponistin Holly Herndon mit ihrer Band auf. Auf ihrer aktuellen Platte "Platform" führt Herndon ihre komplexe Beziehung zur Technik aus und tritt in Dialog mit einem fiktiven Überwacher.

"Man kann keine Zeitung aufschlagen, ohne, dass einem das Thema Daten ins Gesicht springt", erklärt Müller die Notwendigkeit des Kongresses. "Es verändert sich ja auch ständig. Gerade reden alle über Fake-News. Den ganzen Wahnsinn können wir in zweieinhalb Tagen natürlich nicht abbilden." Ihn interessieren aber vor allem drei Bereiche. Erstens: Sind die Fragen nach Datensicherheit und Überwachung wirklich ganz neu? Beziehungsweise, was hat der Bürger des 19. Jahrhunderts gedacht, als Städte boomten und Menschen auf engstem Raum zusammen lebten, einander beobachteten?

Zweitens: Tobi Müller möchte das Thema Daten und Überwachung auch vom Internet lösen und die bisweilen emotionale Debatte etwas "entalarmisieren", wie er sagt. Drittens: Er möchte mit der Konferenz über die Grenzen sogenannte Filterblase hinauskommen. Also den Bereich (digital oder analog), in dem man hauptsächlich die eigene Meinungen bestätigt findet. "Ich möchte alle Parteien an einen Tisch holen", sagt Müller, was allerdings gar nicht einfach war.

Google und Facebook hatte er eingeladen, sich zum Thema Datenspeicherung zu äußern - ohne Erfolg. Immerhin sind ein paar Geheimdienstvertreter da, William Binney zum Beispiel, ein ehemaliger NSA-Mitarbeiter, der dann nach dem 11. September 2001 zum Whistleblower wurde. Er spricht auf dem Panel "Freunde vor dem Schlüsselloch? Deutschland und die NSA" am Samstag, 21. Januar, um 16 Uhr.

Über sogenanntes "Gatekeeping" wird am Sonntag, 22. Januar um 14 Uhr diskutiert. Gatekeeping stellt den Gegensatz dessen dar, wofür das Internet einst stand: Offenheit. Konzerne wie Google oder Facebook entscheiden mit, was wir im Internet sehen, in Teilen Afrikas bietet Facebook den Internetzugang über Handys an - umsonst, aber mit Auflagen.

Bei einer "großen Sicherheitsgala" am Samstagabend wird dann eine künstlerische Intervention mit Stefan Merki und Maja Beckmann zu erleben sein, und, wie es sich für eine ordentliche Datenkonferenz gehört: Es wird eine Live-Schaltung zum Whistleblower Edward Snowden geben.

Sensible Daten - Die Kunst der Überwachung, Freitag, 20. Januar, bis Sonntag, 22. Januar, Kammerspiele, Maximilianstraße 26, Infos unter muenchner-kammerspiele.de

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