Komödie:Party seiner Asche

Eine schräge Farce aus Belgien über den Tod eines Rockstars, und wie seine Bandkollegen damit umgehen - nämlich äußerst spielerisch und mit viel betrunkenem Charme: "Ich bin tot, macht was draus!"

Von Philipp Stadelmaier

Ein Mann steigt aus einem Wagen und fällt in eine Grube. Seine Kumpels haben nichts gesehen; sie stehen nicht unweit an einer Frittenbude. Der Mann in der Grube würde ja schreien, um Hilfe rufen. Nur hat er, Leadsänger einer etwas in die Jahre gekommenen, durchschnittlich bekannten Rockband, kurz zuvor bei einem Konzert so laut herumgeschrien, dass er keine Stimme mehr hat. Da bleibt er also in der Grube, der Rockstar ohne Stimme - und stirbt.

"Ich bin tot, macht was draus!" beginnt mit diesem äußerst eleganten Abgang. Der Tod des Sängers, Jipé, ist kein tragisches Ereignis, eher ein Unfall, ein dummes Missgeschick. Gut, seine Bandkollegen und Freunde haben ihn über einer Portion belgischer Fritten in einer Grube vergessen. Aber solche Sachen passieren, wenn man die Qualität belgischer Fritten und belgischen Biers bedenkt, das die Fritten natürlich begleitet - und was hat auch die verdammte Grube gleich neben der Autotür zu suchen!

So ist auch der Umgang der Freunde mit Jipés Tod elegant, wenig traurig, und sehr alkoholisch. Seine beiden engsten Freunde (Bouli Lanners und Wim Willaert) spielen, als hätten sich Gérard Depardieu und Helge Schneider auf ein Buddy Movie à la Bud Spencer und Terrence Hill verabredet: Sie mischen ein Krematorium auf, vermöbeln Jipés reichen, schnulzensingenden Bruder und klauen ihm Jipés Urne, bevor sie zu einer letzten Tournee nach Amerika aufbrechen wollen. Denn Jipé lebt. Und sollte jemand bemängeln, dass er tot sei, wollen sie auf der Bühne einfach die Asche auf einen Barhocker stellen und ein Mikro davor. Das muss reichen.

Das Schöne an dem Film ist nicht nur, dass er den Tod nicht anerkennt, ein positives Verhältnis zu Drogen unterhält und einen dunkelhäutigen Nato-Piloten zu Jipés Witwer macht. Guillaume und Stéphane Malandrin erzählen außerdem mehr von Jipés Asche als von dem Toten selbst. Diese wird aus ästhetischen Gründen in einen Plastikeimer umgesiedelt, aufgeteilt zwischen den Freunden und Jipés Lover, vermischt mit Koks, für Tandoori-Pulver ausgegeben, auf ein Croissant gestreut, in der Weite der kanadischen Wälder verweht und auf einen Grill gekippt, von dem sie dann wieder abgekratzt werden muss.

In der Asche begleitet der Tote die Lebenden also ganz materiell. Ebenso wie er ihnen im Magen liegt, seit sein Ableben vom Verzehr einer Portion Fritten begleitet wurde. Da wird nach seiner Trauerfeier ein drei Wochen altes Chili gegessen, das Jipé auf dem Herd hat stehen lassen, um dann kollektiv im Garten wieder ausgekotzt zu werden. Womit ihnen nicht nur das Chili, sondern irgendwie auch Jipé wieder hochkommt, der ihnen den Weg weist. Denn die Szene nimmt eine spätere Kotzorgie im Cockpit eines Flugzeugs vorweg, welche der Reise der Freunde eine entscheidende Wendung geben wird.

Der Tote begleitet also als Asche und Mageninhalt eine Reise - und befreit sie von jedem Ziel. Die Asche vermischt sich mit allem, bleibt Ausgangspunkt für eine endlose Reihe von Verwandlungen. Sollte die Reise erst nach Amerika gehen, so nimmt sie bald eine neue Richtung, ändert den Weg und Verkehrsmittel, während auch die Bandmitglieder sich langsam zerstreuen.

Denn irgendwann muss natürlich doch akzeptiert werden, dass der Tote eben tot ist: Der Mann hat einfach keine Stimme mehr, das macht der allerletzte Gig schmerzlich bewusst. Aber das ist nicht so schlimm. Denn in diesem Film, in dem es viel um vertane Chancen und verpasste Durchbrüche geht, liegt genau da ein Unterschied zwischen Jipé und den großen Popstars, von denen in diesem Jahr ja schon einige gestorben sind. Die überleben durch ihre Stimme - aber wo die Asche von Prince ruhen wird, wird nicht verraten. Jipé hingegen verliert mit seinem Leben auch seine Stimme, während seine großzügig in die Welt verstreuten Überreste auch jenseits der Musik Tausende Nachleben zeugen.

Je suis mort mais j'ai des amis, FRA/BEL 2015. - Regie: Guillaume und Stéphane Malandrin, Buch: Malandrin, Vincent Tavier. Kamera: Hugues Poulain. Mit Bouli Lanners, Wim Willaert. Camino, 96 Min.

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