Kommentar zur Oscar-Verleihung:Der Teufel scheißt auf keinen kleinen Haufen

Das ist die Botschaft des Abends: 11 Oscars für den "Herrn der Ringe 3" scheinen die Konkurrenz zu düpieren. In Wahrheit deklassieren sie diesen Preis zur niedlichen Budenzauber-Belohnung. Mit Budenzauber-Bildergalerie

Bernd Graff

Bisschen Gedächtnis-Auffrischung, gefällig? Der letzte Teil der verfilmten "Herr der Ringe"-Trilogie" gewann außer den 11 Oscars von Ende Februar bereits:

Kommentar zur Oscar-Verleihung: Jetzt mal was Schönes: Charlize Theron bei der Entgegennahme des Oscar 2004 als Beste Hauptdarstellerin.

Jetzt mal was Schönes: Charlize Theron bei der Entgegennahme des Oscar 2004 als Beste Hauptdarstellerin.

(Foto: Foto: dpa)

Bei den 2nd Annual VES Awards gleich vier dieser Preise in den folgenden Kategorien. Outstanding Visual Effects; Outstanding Character Animation; Outstanding Models and Miniatures; Outstanding Performance.

Bei der Verleihung der 54th Annual ACE Awards (Golden Eddie) gab es den Hauptpreis für den besten Schnitt.von der amerikanischen "Cutter-Gewerkschaft".

Den Juroren der renommierten British Academy Film Awards gefiel es in diesem Jahr, Die Rückkehr des Königs mit BAFTAs in den Kategorien "Bester Film", "Bestes adaptiertes Drehbuch" , "Beste Visuellen Effekte", "Beste Kamera" und mit dem Publikumspreis auszuzeichnen.

Die Art Directors Guild verlieh dem Film den Preis fürs beste Design in einer Zeit- oder Fantasy-Epoche.

Und die Directors Guild Of America kürte Peter Jackson zum besten Regisseur des Jahres.

Das geschah auch bei der Verleihung der Golden Globes: Den Regiepreis gewann "Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs". Der Film wurde auch als bestes Drama ausgezeichnet. Dazu noch für die "Beste Musik" und den "Besten Song".

Bei den achten Annual Online Film & Television Association Film Awards belobigte man mit dem letzten Teil der Trilogie den "Besten Film", das "Beste Ensemble", die "Beste Regie", das "Beste adaptierte Drehbuch", den "Besten Soundtrack", den "Besten Titelsong", den "Besten Schnitt", die "Beste Kamera", das "Beste Design", die "Besten Kostüme", die "Beste Maske", den "Besten Ton", die "Besten Soundeffekte", die "Besten Visuellen Effekte" .... und die "Beste Filmszene" für den Moment, in dem Sam sagt: "Ich kann ihn nicht tragen, aber ich kann Dich tragen."

Na, ist das nicht eine Casablanca-verdächtige Sentenz? Mit Verlaub: Nein!

Man wird sich, darauf kann man wetten, bereits in nicht allzu ferner Zukunft fragen, ob man dem letzten Teil der Trilogie nicht zuviel der Ehre angetan haben mag. Nicht nur bei den Oscars, sondern auch übers Jahr verteilt bei allen wichtigen Preisgaben.

Aber eben auch bei der Oscar-Verleihung 2004: "Der Herr der Ringe (3)" gewann alle Kategorien - insgesamt elf -, in denen er nominiert war.

Und das - ebenfalls mit Verlaub - spricht nicht einfach nur den Film heilig, sondern vor allem seiner Konkurrenz Hohn.

Wenn man eine Preisverleihung derart zur Monokultur herabwürdigt, dann heißt das doch auch, dass anscheinend nichts dem vielfach Geehrten das Wasser (oder besser: den Ring) reichen konnte.

Dann heißt das folglich, dass preiswürdiges Kino unterhalb der Fantasy-Schwelle allenfalls mit Nebenpreisen (die Hauptdarsteller ausgenommen!) bedacht werden kann.

Und das ist - vor allem in diesem Jahr - falsch: Dass Sofia Coppola "nur" den Preis für das beste Original-Drehbuch erhielt, ist fast schon ein Skandal.

Dass dann das sieben Mal nominierte Rennpferd-Drama "Seabiscuit" und die fünf Mal vorgeschlagene Piraten-Komödie "Fluch der Karibik" komplett leer ausgingen, ist eine Farce - angesichts des Films, der hier routinegesegnet und quasi in den siebten Himmel hinein belobigt wurde.

Hat es im vergangenen Jahr denn wirklich nichts anderes an bewegenden Momenten im Kino gegeben, keine weiteren erinnernswerten, intensiveren Phrasen als den traulichen Hobbitschmus in Wolkenkuckucksheim?

Nun muss man diesen Film nicht gleich in Grund und Boden verdammen: Aber wären ein paar Preise weniger für den Ringelpietz - in Anbetracht der Bedeutung des Oscars - nicht mehr gewesen?

Vielleicht: Bester Film und beste Musik, gewissermaßen im Bewusstsein all der anderen schönen Trophäen, die der Film, bzw. die Trilogie zuvor schon - auch an Oscars - gewonnen hat?

Ein bisschen mehr Streuung vielleicht - hin zu Coppola und zu "Master and Commander" etwa? Zu "Last Samurai" oder auch zu Depps Karibik-Piraten?

Man muss doch nicht ein zum Schluss definitiv in langatmig-selbstgefälliger Rührung schwelgendes Fantasy-Idyll zur endgültigen Epiphanie verhelfen.

Aber wenn man dann doch genauer hinschaut, hat der Trilogieschluss - außer in der Regie - nur in den weichen Kategorien seine Oscars gesammelt - und eben nicht in den harten Fächern des Kinos: Schauspiel und Kamera.

Mit viel Schnickschnack also gegen die Ernsthaftigkeit. Das scheint sich einzubürgern. Oder wissen Sie noch, dass das Musical "Chicago" letztes Jahr groß absahnte. Wissen Sie vielleicht noch, ok. Aber wofür? Wissen Sie schon nicht mehr. Eben!

Wohin also driftet die Academy?

Bedenkt man, dass die Auszeichnung mit 11 Oscars so etwas wie den perfekten Film suggeriert, dann stellt sich heraus, dass der "Herr der Ringe" perfekt nur ist in seiner Mittelmäßigkeit.

Aber so ist es wohl auch um das große Ganze bestellt: Mittelmaß beherrscht das Universum Hollywood im Jahre des Herrn 2004.

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