Kommentar:Scheitern ist keine Option

Kommentar: Susanne Hermanski wollte an dieser Stelle bloß nicht noch einmal darüber klagen, dass in die Neue Pinakotheken der Regen rinnt. Illustration: Bernd Schifferdecker

Susanne Hermanski wollte an dieser Stelle bloß nicht noch einmal darüber klagen, dass in die Neue Pinakotheken der Regen rinnt. Illustration: Bernd Schifferdecker

Bernhard Spies soll das Haus der Kunst in München als Krisenmanager aus dem Chaos führen. Dabei kennt er nicht mal die ganze Dimension der Finanzlöcher.

Von Susanne Hermanski

Das Haus der Kunst leidet an den Nachwehen der unorthodoxen Haushaltsführung seines früheren Managements. Weil's an Geld fehlt, ist unklar, ob im Winter ein kapitales Loch im Ausstellungskalender klaffen wird oder nicht. "Wir versuchen derzeit, die Joan-Jonas-Ausstellung zu retten", sagt Bernhard Spies, der Kaufmännische Direktor des Hauses, das über keine eigene Sammlung verfügt. Spies ist erst im April als Krisenmanager aus dem Ruhestand nach München geholt worden. Er wurde dem Künstlerischen Direktor Okwui Enwezor gleichgestellt, der nur acht Wochen danach seine Tätigkeit niederlegte. "Aus gesundheitlichen Gründen", wie Bayerns Kunstministerium Anfang Juni mitteilte. Man habe sich mit Enwezor "vor diesem Hintergrund einvernehmlich auf einen Auflösungsvertrag verständigt".

Spies war bis Ende 2017 Kaufmännischer Geschäftsführer der Bundeskunsthalle in Bonn und durchaus krisenerprobt. Was er in München vorfand, hat ihn trotzdem überrascht. Nicht nur die Ausstellung "Postwar" hatte ein Loch in die Kasse gerissen, denn Enwezors Team hatte 1,2 Millionen Euro für die Schau veranschlagt, aber 4,5 Millionen ausgegeben. Der Wirtschaftsprüfungsbericht, der dem Aufsichtsrat hätte Aufschluss geben sollen, wurde ein dreiviertel Jahr zu spät geliefert. Weil es Bereiche gab, in denen niemand Aufträge gegenzeichnete, ist noch immer unklar, was noch auftaucht.

Vom Prokuristen des Hauses hat man sich zum Jahreswechsel getrennt. Sein Arbeitsrechtsverfahren läuft noch, ebenso eines mit dem Ex-Personalverwalter, dessen mutmaßliche Scientology-Zugehörigkeit den Verfassungsschutz auf den Plan rief. Die Anwaltskosten belasten den Etat des Hauses zusätzlich. Zudem muss das Gebäude nicht weniger dringend saniert werden als die Finanzen des Hauses. Nicht nur die 75 Mitarbeiter fragen nun, wie es weitergeht. Und dass Bayerns Kulturministerin und Aufsichtsratsvorsitzende des Hauses der Kunst Marion Kiechle womöglich erst Anfang 2019 Enwezors Nachfolge benennen will, beruhigt nicht.

Da freut es die Belegschaft immerhin, dass sowohl Kiechle als auch Spies eine Sanierung in zwei Bauabschnitten statt einer Komplettschließung favorisieren. Das würde ihre Arbeitsplätze retten. Welche Elemente des mit 150 Millionen Euro veranschlagten Konzepts "Renovate/Innovate" erhalten bleiben, das Enwezor mit dem Architekten David Chipperfield entwickelt hatte, ist ungewiss. Es gibt Pläne zur Einrichtung eines "Innovation"-Institutes und von "Art in Residence", doch sie lassen bislang außer Acht, wie wenige Räume mit Tageslicht das Haus hat. Beinah ganz vergessen schienen die Mitarbeiter der Verwaltung, die untergebracht werden müssen, will man ihre Arbeitsplätze nicht auslagern. Fragt sich nur, was die Autoren einer "Machbarkeitsstudie" aus den USA für ihr Geld eigentlich gemacht haben. Spies jedenfalls sagt: "Ich mache hier mehr Vergangenheitsbewältigung als ich vorhatte." Er bilde "Teams" im Haus von lauter "Einzelkämpfern", organisiere Coachings, weil "es bislang weder eine wünschenswerte Kommunikationskultur untereinander noch mit der Geschäftsführung gab". Und er schaut ungläubig auf Gehaltszettel, denn die einen zahlte man hier konsequent unter, die anderen über Tarif.

Wer an Spies' Seite Künstlerischer Direktor wird, hängt auch von der Landtagsentscheidung ab, ob das Haus bei laufendem Betrieb saniert wird. Langfristige Perspektiven ziehen andere, jüngere Kandidatinnen und Kandidaten an. Ein fatales Zeichen an jeden wäre jedoch, wenn im Winter weder Joan Jonas noch eine vergleichbare Größe ausgestellt würde. Denn ein Haus, das - auch dank Enwezor - in der Branche als Ort interessanter zeitgenössischer Kunst gilt, ist ohne diese Kunst faktisch schon geschlossen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: