Kommentar:Kann Amerika cool bleiben?

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Früher gab es Dylan und De Niro, heute Zuckerberg und Trump. An die Stelle echter Helden sind Industriebosse und Choleriker getreten.

Von Andrian Kreye

Neulich bei einem Kaffee mit sehr klugen amerikanischen Patrioten. In Amerika ist das mit dem Patriotismus ja kein prinzipielles und schon gar kein ideologisches Problem. Bob Dylan gehört zum Beispiel zu den größten Patrioten seines Landes, genauso wie der Agitprop-Regisseur Michael Moore oder der Geheimdienst-Entlarver Edward Snowden.

Um bei Bob Dylan zu bleiben - das Gespräch kam rasch zu der Frage, warum junge Europäer Amerika nicht mehr cool finden, warum sie zum Beispiel lieber nach Australien oder nach Shanghai fahren und die Sehnsuchtsorte der etwas Älteren wie New York und Los Angeles fade finden. Das hat auch damit zu tun, dass die großen Leuchtturmgestalten fehlen - die Bob Dylans eben, die Robert De Niros, die Miles Davis und Jackson Pollocks. Und das wiederum läuft auf die Frage hinaus, warum Amerika keine Helden mehr hervorbringt, die das Cool in die Welt tragen können.

Die erste Überlegung war sehr europäisch. Es gebe kaum Personen des öffentlichen Lebens, die so cool sind wie Barack Obama. Der weiß das nur zu gut und lässt deswegen Bilder verbreiten, auf denen er Hausmeister mit dem fistbump grüßt, in Comedyshows auftritt oder in der hawaiianischen Brandung eine gute Figur beim Bodysurfing macht. Demnächst wird er sogar beim großen Gegenpopkulturfestival South by Southwest die Eröffnungsrede halten. Nur - ist "cool" noch cool, wenn der coolste Mann der Welt auch der mächtigste ist? Schließlich war cool ursprünglich kein modisches Stilbewusstsein, sondern die Geisteshaltung einer Gegenkultur des Jazz.

Dann bemerkte einer der klugen amerikanischen Patrioten, Apple-Gründer Steve Jobs sei doch sehr cool. Und auch ein Held. Immerhin gebe es mehrere Bestseller über ihn und zwei Hollywoodfilme. Viele junge Leute aus der Start-up-Kultur würden ihn verehren. Mark Zuckerberg wäre dementsprechend auch ein Held. Und die Google-Gründer. Allerdings ist die Start-up-Kultur kein cooles Phänomen, sondern ein hübscher neuer Begriff für Unternehmensgründungen. Und wenn man sich die Biografien der neuen Helden ansieht oder auch die Filme über sie, dann erkennt man ziemlich rigorose Industriekapitäne, darüber können auch Jazz-Rollkragenpullover oder Skater-T-Shirts nicht hinwegtäuschen.

Vielleicht müssen sich Amerika und die Welt auch damit abfinden, dass das Zeitalter des Cool nun zu Ende geht. Betrachtet man den aktuellen Wahlkampf, dann schwingt das Pendel kulturgeschichtlich sogar ganz gewaltig in die andere Richtung. Donald Trump und Bernie Sanders sind exemplarische Vertreter des "Hot" - Stimmungsvulkane aus der Schule der hohen Cholerik. Damit wäre es an Hillary Clinton, das Cool noch einmal zu retten. Ob das gutgeht?

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