Kommentar:Falsche Botschaft

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Sonja Zekri ist Leiterin des Feuilletons. (Foto: N/A)

Was für ein Sittlichkeitsterror! Katar lässt den Giebel der Villa Calé in Berlin-Zehlendorf verhängen, ihrer einstigen diplomatischen Residenz. Dieser zeigt eine barbusige Frau. Das Landesdenkmalamt ist verstimmt, hat aber keine Verfügungsgewalt.

Von Sonja Zekri

Es ist keine Bedrohung für die christlich-abendländische Kultur, aber unglaublich bescheuert, um nicht zu sagen: mal wieder typisch für die Islamisten aus Katar, was sie mit der Villa Calé anstellen und was die Frankfurter Allge meine Zeitung zu der Schlagzeile inspirierte: "Qatar verhüllt 100 Jahre alte Brüste in Berlin".

Die Villa Calé in Berlin-Zehlendorf wurde vor 100 Jahren für den Verleger Franz Calé gebaut und zeigt im Giebel eine Mutter mit nacktem Busen und ihren beiden Kindern. Katar hat das Anwesen vor 20 Jahren als Botschaftsgebäude gekauft, nun aber den Giebel verhängen lassen. Dass die Katarer dazu zwei Flaggen benutzten, die deutsche und die katarische, kann niemanden über den kulturbanausischen, tugendterrorhaften Charakter der Aktion hinwegtäuschen. Und das wird nicht dadurch besser, dass auch schon im Vatikan Körperteile übermalt oder zugehängt wurden.

Interessanter ist die Frage, wieso die arabischen Diplomaten überhaupt eine Villa gekauft haben, die Besucher mit nackten Brüsten begrüßt. Katars Botschaft ist vor Jahren in einen neutralen Neubau im Grunewald gezogen. Calés Villa verfiel, bis die Katarer Villa, Giebel und Brüste - mit katarischen Staatsgeldern - sanieren ließen. In diesem Jahr, dem deutsch-katarischen Kulturjahr, soll das Gebäude wiedereröffnet werden. So aber, das steht zu vermuten, wird das keine ungetrübte Feier. Dabei hat Katar Verbündete nötig. Mit den Nachbarn am Golf läuft es ja gerade nicht so gut.

Zwischen Berlin, Deutschland und der abendländischen Kultur einerseits und der islamistischen Borniertheit andererseits steht glücklicherweise eine Behörde, die schon manchen Gestaltungswillen gebremst hat: das Denkmalamt. In Kassel etwa liefen die Denkmalschützer zu großer Form auf, als die in Istanbul lebende Künstlerin Banu Cennetoğlu ein in Athen entdecktes Graffito auf dem Giebel des Fridericianums anbringen wollte. Bis Cennetoğlus Schriftzug "Being Safe Is Scary" - Sicherheit ist gefährlich - angebracht werden konnte, waren einige Anstrengungen nötig.

In Berlin liegt der Fall ein wenig komplizierter. Eine Sprecherin des Landesdenkmalpflegeamtes drückte zwar ausdrücklich ihre Missbilligung über die Verhüllung der neoklassizistischen Fassade an der Villa Calé aus, schränkte aber ein, dass die diplomatische Residenz "exterritoriales Gelände" sei und damit ihrem Zugriff entzogen. Damit sollte sich das Amt nicht zufriedengeben. Berliner Medien wiesen schon vor Jahren darauf hin, dass Katar für sein ungeliebtes Gebäude keine diplomatische Nutzung beantragt habe. Wenn sich daran nichts geändert hat, sollten die Verhüller die volle Härte der deutschen Bürokratie zu spüren bekommen.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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