Kommentar:Augen auf und Stopp

Vor dem Ende: Das Berliner Freiheits- und Einheits-Denkmal hat keine Chance mehr, weil es einmal keine zwingende Idee für das Monument gibt und zweitens die Frage der möglichen Kosten kaum endgültig beantwortet werden kann.

Von Lothar Müller

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat das Projekt "Freiheits- und Einheitsdenkmal" in Berlin gekippt. Das klingt, als knauserten die Deutschen wieder einmal an der falschen Stelle. Aber manche Denkmäler werden durch die Leere, die der Verzicht auf sie erzeugt, mehr als aufgewogen. Das ist hier der Fall, und es ist keine Katastrophe. Eine politische Idee war da, eine ästhetische Idee, die ihr angemessen hätte Rechnung tragen können, mochte sich nicht prompt einstellen. Da ist es besser, das Ganze sein zu lassen.

Die politische Idee entstammte dem Kreis um den Bürgerrechtler Günter Nooke, dem Sozialdemokraten Richard Schröder und dem letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière. Eine Mehrheit im Bundestag machte sich die Idee 2007 zu eigen, die deutsche Einheit mit einem Denkmal zu würdigen und dabei zugleich an die "freiheitlichen Bewegungen und Einheitsbestrebungen vergangener Jahrhunderte" zu erinnern. Als Standort, der diese Doppelfunktion zum Ausdruck bringen sollte, legte der Bundestag den Sockel des einstigen Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf der Schlossfreiheit fest. 2009 verlief der erste Wettbewerb im Sande, der zweite fand 2010 mit veränderter Vorgabe statt, nun sollten die Jahre 1989/90 deutlich im Vordergrund stehen. Im Sockel war ja die "Schichtung vergangener historischer Epochen" hinreichend symbolisiert.

Am Ende setzte sich 2011 der Entwurf "Bürger in Bewegung" des Stuttgarter Szenografen Johannes Milla und der Choreografin Sasha Waltz durch: eine große, golden schimmernde, begehbare Schale aus Glas und Metall, die sich neigt und hebt, je nachdem, wo auf ihr die Bürger gerade in Bewegung sind. Sie sollte zum 25. Jahrestag der Einheit, zum 3. Oktober 2015, fertiggestellt sein. Daraus aber wurde nichts. Der Baugrund erwies sich als schwierig, die Regelung der Barrierefreiheit auch, Reste wilhelminischer Mosaiken kamen zum Vorschein, die das Land Berlin sichern wollte, Fledermäuse mussten umgesiedelt werden. Das alles war sehr viel konkreter als die Symbolik der "Wippe der Freiheit", wie sie in Berlin bald genannt wurde.

Die Initiatoren gaben sich nämlich mit der Symbolik ersten Grades nicht zufrieden, die Urheber regten an, bei der Schale zugleich auch an ein Blatt, an Flügel, an ein Boot oder "eine geöffnete Hand" zu denken. Und die deutsche Geschichte entschlossen in ein nahezu schwereloses Schaukeln zu verwandeln, in dem Einheit und Freiheit, anders als in der Realgeschichte, einander freundlich zuarbeiten.

Auf 10 Millionen Euro war das Projekt veranschlagt, mit 15 Millionen wird derzeit gerechnet, dass es dabei bleiben würde, glaubte am Ende kaum jemand. 2012 zog Sasha Waltz sich aus dem Projekt zurück. Rüdiger Kruse (CDU), Berichterstatter im Haushaltsausschuss, ließ schon vor der Sitzung anklingen, "Augen zu und durch" sei nicht immer die beste Lösung. 1,7 Millionen Euro sind bisher ausgegeben, zudem 1,5 Millionen für die Sicherung der Mosaiken. Allein deshalb weiterzubauen, wäre keine gute Idee. Die hätte der Denkmalsentwurf sein müssen. War er aber nicht.

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