Kolumne Spurensuche:Dürers Marketing

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Das Prinzip der visuellen Selbstdarstellung hat kaum jemand so gut beherrscht wie die Renaissancemaler. Albrecht Dürer ging dabei aufs Ganze.

Von Kia Vahland

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Albrecht Dürer verstand sich auf gelungene Selbstinszenierung.

Der Mensch möge sich zeigen, seine Stärken zur Marke machen, als genialer Selbsterfinder für sich selbst werben in Wort und Bild - diesem spätkapitalistischem Credo kann sich heute kaum noch jemand entziehen. Wenn nicht gar erfunden, so doch aufs Beste entfaltet haben die Renaissancemaler das Prinzip der visuellen Selbstdarstellung. Wenige Jahre zuvor galt ihr Berufsstand noch als niederes Handwerk, nun aber waren die Maler als Künstlerpersönlichkeiten gefragt. Also stellten sie einen Spiegel neben die Staffelei und entwarfen ihr Konterfei.

Albrecht Dürer skizzierte die eigenen Züge schon als pausbäckiger 13-Jähriger. Später sah er sich mal als etwas entrückter Liebender, mal als eleganter Patrizier. Schließlich ging der Künstler aufs Ganze. Drehte sich die langen Haare auf Lockenwickler, kämmte ein paar Ponyfransen in die Stirn. Zwirbelte die Spitzen des Schnäuzers, feilte die Fingernägel. Warf sich in einen teuren Pelzmantel, wie er eigentlich den reicheren Bürgern Nürnbergs vorbehalten war. Und malte sich in atemberaubender Frontalansicht.

So zeigt sich Jesus Christus, nur dass der kein Dandy war. Tatsächlich könnte Dürers feingliedrige Rechte gleich zum Segen anheben - sie ragt aus dem Bild heraus, springt den Betrachter an und verlebendigt so die starre Pose. Noch aber streicheln die langen Finger sachte den Kragen aus Marderpelz, zupfen die delikaten Härchen, die Dürer einzeln strichelte - es scheint, als würde der Mann mit seiner Malerhand die Spitze eines Pinsels prüfen, bevor er ihn in Farbe taucht. Ein raffinierter Künstler vermag indirekt auch den Tastsinn seines Publikums anzuregen - mit so einem warmen, weichen Stück Pelz etwa. Dann noch dieser klare, durchdringende Blick: Dieser Mann meint es ernst mit sich und der Welt.

An den schnellen Selbstbildern unserer Zeit ist Dürer trotzdem nicht schuld. Ihm ging es nicht allein um den Auftritt, sondern seine Show war ein ästhetisches Programm, das er in den kommenden Jahren auch einlöste.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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