Kolumne Spurensuche:Am Randes des Todes

Todsünde Film

Glücklich werden Ellen und Richard im Film "Todsünde" nicht mehr. Ein Schatten liegt auf dieser Ehe.

(Foto: OH)

In den USA werden Abtreibungsgesetze verschärft - was ungewollt Schwangere zu riskanten Selbstversuchen bringen könnte. Der Film "Todsünde" erzählt schon 1945 davon.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Heimliche Abtreibungen kennt schon ein film noir von 1945.

In der vergangenen Woche wurde in Indiana trotz wütender Proteste das Abtreibungs-Gesetz verschärft. Immer mehr US-Bundesstaaten haben es in den vergangenen Jahren schwerer oder unmöglich gemacht, einen Schwangerschaftsabbruch bei einem Arzt vornehmen zu lassen. Nun hat es Abtreibungen auch gegeben, bevor sie in vielen westlichen Ländern in den Siebzigerjahren legal wurden - die Methoden waren jedoch lebensgefährlich. Google hat in den USA seit 2011 einen sprunghaften Anstieg in Suchanfragen festgestellt, die selbstprovozierte Fehlgeburten betreffen - von der Kleiderbügel-Abtreibung bis zum Treppensturz.

Eine solche Szene kommt schon in John Stahls "Todsünde" von 1945 vor. Gene Tierney spielt Ellen Berent, die das Kind nicht will, das sie erwartet. Also holt sie sich aus dem Schrank ein paar mit hellblauer Seide bespannte hochhackige Pantöffelchen, steckt eines unter den Teppich, der die Treppe bedeckt - und stürzt sich dann todesmutig hinab. Es soll wie ein Unfall aussehen.

Der Film beginnt in einer Idylle, die Stahl in kitschigen Farben entstehen lässt. Ellen hat sich auf einer Reise in den Schriftsteller Richard verliebt, so sehr, dass sie nach der Hochzeit seinen kranken Bruder pflegt, bis er wieder laufen kann. Dass Richard dann beschließt, den immer noch gehbehinderten Jungen zu sich zu nehmen, ist Ellen zu viel. Sie ist diejenige, sagt sie zum Arzt des Jungen, die ihn betreut, während ihr Mann an Büchern arbeitet. Als der Junge sich im Schwimmen übt, sieht sie zu, wie er ertrinkt - ungerührt? Es ist eine ambivalente Szene: Ellen trägt eine Sonnenbrille, man sieht nicht so recht, was in ihr vorgeht; sie zögert, bis sie, zu spät, ins Wasser springt, um ihm zu helfen.

Sie könnte jetzt endlich mit Richard das Leben führen, das sie sich gewünscht hat - aber sie ist ihm fremd geworden. Und er hat sich in ihre Schwester verliebt. Den Treppensturz hat Ellen überlebt; nun aber vergiftet sie sich, und sie versucht, indem sie es wie Mord aussehen lässt, auch die aufkeimende Beziehung zwischen ihrer Schwester und ihrem Mann zu vergiften.

Klar, dass diese Frau keine positive Heldin ist; aber "Todsünde", über den Martin Scorsese sagt, er sehe ihn sich jedes Jahr an, sympathisiert als film noir gerade mit den düsteren Helden und ihren Schwächen. Ellen hat sich nicht allein in die Situation manövriert; aber sie kommt allein darin um.

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