Kolumne:Spurensuche

SOME LIKE IT HOT, George Raft (center), 1959

Tristes Ende unter Freunden für George Raft.

(Foto: picture alliance / Everett Collection)

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. In Mafiafilmen ist nie sicher, wem man trauen kann in einer Runde.

Von Fritz Göttler

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. In Mafiafilmen ist nie sicher, wem man trauen kann in einer Runde.

"Big Joke", ächzt Spats Colombo mit letzter Kraft, als man ihm die erste Ladung MP-Kugeln verpasst hat, dann folgt die zweite Ladung, und Spats, der Mafiaboss von Chicago, nördlicher Bezirk, sinkt tot vom Stuhl. Es ist das zehnte jährliche Treffen der "Freunde der italienischen Oper" in Florida, ein großes Aufräumen der großen Mafiafamilie. Das große Finale in Billy Wilders "Manche mögen's heiß", der von zwei Musikern erzählt, Tony Curtis und Jack Lemmon, die ungewollt Zeugen beim Valentinstag-Massaker in Chicago wurden und überstürzt fliehen müssen, als Mitglieder einer Damen-Combo, in der Marilyn Monroe singt. Nun, in Florida, stoßen sie wieder auf Spats und seine Valentinsgangster, und werden, unterm Tisch versteckt, Zeuge, wie Spats (George Raft, der "Scarface") von Konkurrenten erledigt wird.

Geselligkeit und Gemeinheit, nirgendwo ist diese Mischung so perfekt dosiert wie in der amerikanischen Mafia. Männer, die in einer fröhlichen Runde - Smoking und Zigarren, gutbürgerliche, diskret gedämpfte Atmosphäre, italienisches Ambiente - zusammensitzen und Gruppenzugehörigkeit zelebrieren, geschäftliche Erfolge - "Wir zahlen keine Steuern" - und gemeinsame Interessen feiern. Pathetische Sprüche werden losgelassen, von menschlicher Relevanz: "Irren ist menschlich. Vergeben ist göttlich."

Vorsicht ist freilich immer angebracht, eine Dosis Misstrauen gibt es auch in den Mienen von Spats und seinen Leuten. Die Einheit ist trügerisch, immer ist einer in der Runde, der den Anlass nutzen wird, um seine ganz eigenen Interessen zu vertreten - und die Runde auseinanderbringt. Eine solche Hinterrücks-Aktion zieht diesmal der Boss der Mafia durch, er trägt den schönen Namen Little Bonaparte. Er lässt eine riesige Geburtstagstorte auffahren, "Ich habe gehört, du hast Geburtstag", erklärt er, und den verdutzten Einwand von Spats, "Ich hab doch erst in vier Monaten Geburtstag", tut er mit einem lässigen "Was sind schon vier Monate unter Freunden!" ab. In der Torte steckt ein Killer mit MP, der losschießt, als die fröhliche Gesellschaft zum zweiten Mal "For he's a jolly good fellow" anstimmt.

In der deutschen Fassung heißt Spats Gamaschen-Colombo, das klingt ein wenig nach Berliner Halbwelt der Zwanziger. Bei Billy Wilder dürfte dieser Anklang an seine Berliner Zeit sicher im Hinterkopf herumgespukt haben. Der Effekt ist der gleiche in der Florida- wie in der Berlin-Runde: Big Joke!

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