Kolumne: Deutscher Alltag:Wie Kerkeling im Karneval

Günter Wallraff versucht, Rassismus zu entlarven: angemalt und mit Perücke. Sind wir so blöd, dass wir einen Sarotti-Mohren für einen echten Nigerianer halten würden?

Kurt Kister

Die Welt ist voller großer Rätsel. Man weiß zum Beispiel nicht, warum die Anasazi-Indianer im Südwesten der heutigen USA erst eine bemerkenswerte Zivilisation aufgebaut haben und dann verschwanden. Oder, vier Ebenen tiefer, aber dennoch mysteriös: Was geschieht mit all den Socken, die im Laufe der Jahre in jedem Haushalt abhandenkommen? Gibt es irgendwo ein großes, von den Freimaurern kontrolliertes Sockendepot, aus dessen Bestand der erodierende Festlandsockel von Neuseeland repariert wird?

Und, noch unwichtiger: Warum existiert die FDP und wo hat sie jenen Herrn her, der Schals mit einem Muster wie ein Kopfkissenbezug aus einem englischen Landhaus trägt und der trotzdem Außenminister werden will? Wäre es wirklich schädlich für Deutschland oder das Andenken von Theodor Heuss, täte der Herr es den Anasazi gleich?

Wie gesagt, lauter Rätsel. In diesen Tagen läuft ein Film an, der noch mehr Fragen aufwirft. Der verdienstvolle Reporter Günter Wallraff hat sich wieder verkleidet. Diesmal als Somalier, um den täglichen Rassismus zu entlarven. Ausweislich des Films und diverser Berichte über diesen Film ist ihm das, wer hätte es gedacht, auch gelungen. Es gibt in Deutschland leider viele Menschen, die Dunkelhäutige übel behandeln.

Sehr sonderbar allerdings ist, dass offenbar kaum jemand erkannt hat, dass es sich bei diesem Somalier um einen angemalten Weißen mit einer Perücke handelt. Eigentlich sieht man das auf den ersten Blick. Somalier sehen nicht so aus wie Kölner, die, in diesem Zusammenhang darf man das sagen, im Karneval als Neger gehen. Wer noch dazu weiß, wie Wallraff aussieht - das wissen wohl nicht so viele - , der erkennt außerdem, dass der angemalte Somalier mit dem Schnurrbart eindeutig der schnurrbärtige Günter Wallraff ist. Beim Anblick des Schein-Somaliers - diese Perücke! - im grünen Feld könnte man glauben, dass da Hape Kerkeling einen als Afrikaner zurechtgemachten Wallraff darstellt.

Leider lässt dieser Vorgang nur einen Schluss zu: Jene Deutschen, die Vorurteile gegenüber Farbigen haben, sind so blöd, dass sie vermutlich sogar den Sarotti-Mohren für einen authentischen Bootsflüchtling aus dem Niger halten würden. Es könnte aber auch sein, dass die neueste Wallraff-Nummer in Wirklichkeit eine Art deutsche Fortsetzung des Borat-Films ist. Der angebliche kasachische Reporter in Amerika wirkte allerdings noch etwas glaubwürdiger als Wallraffs Somalier.

Ein schrecklicher Gedanke: Sind wir vielleicht alle zu blöd, um den geschminkten Wallraff zu erkennen? Wer garantiert uns denn, dass Wallraff nicht jener Mann mit dem Kopfkissenschal ist, der in den Koalitionsverhandlungen Guido Westerwelle war?

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