Kolumne: Deutscher Alltag:Hässliche Vögel

Europa soll nicht schön sein, sondern funktionieren. Aber wer sähe nicht lieber einen George Clooney an der Spitze der SPD als den eloquenten Rollomaten Gabriel.

Kurt Kister

Sobald man über das Aussehen von Politikern schreibt, kommt garantiert jemand daher und beschwert sich, dass es doch ganz egal sei, wie der Vorsitzende, der Minister oder die Präsidentin aussehen. Hauptsache, so wird man belehrt, sie machten gute Politik. Schon wahr: Wenn ein hässlicher Kauz die Staatskrise löst oder eine Vogelscheuche - warum werden eigentlich immer Vögel mit Hässlichkeit assoziiert? - die Arbeitslosigkeit verringert, ist das fein. Andererseits: Man sähe schon lieber so jemanden wie George Clooney an der Spitze der SPD als den eloquenten Rollomaten Gabriel. Und wie schön wäre es, wenn eine mariafurtwänglerische Kanzlerin nicht nur intellektuell dem französischen Riesenzwerg, Monsieur le Président, Konkurrenz machen würde, sondern auch noch phänotypisch seiner Gattin.

Kolumne: Deutscher Alltag: Der belgische Politiker Van Rompuy entspricht jenem kerneuropäischen Typus Mann, welcher der Albtraum jedes ermittelnden Polizisten ist.

Der belgische Politiker Van Rompuy entspricht jenem kerneuropäischen Typus Mann, welcher der Albtraum jedes ermittelnden Polizisten ist.

(Foto: Foto: getty)

Die jüngsten Personalentscheidungen in Europa sind politisch vielfältig interpretierbar, ästhetisch allerdings völlig klar. Sowohl der neue EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy als auch die EU-Außenhochkommissarin Catherine Ashton entsprechen phänotypisch jenen Vorurteilen, die man über Menschen aus Belgien und Großbritannien haben kann, wenn man vorurteilsbeladen ist. Und wer ist das nicht?

Wer zum Beispiel hat noch nie beim Anblick der Gattin des Prinzen von Wales an ein Pferd gedacht? Und wer würde abstreiten wollen, dass es in der europäischen Ästhetikrezeption stets einen starken Strang gab, der nach den Verbindungen des Hippologischen und der britischen Weiblichkeit forschte? Auf der Insel findet das Großzähnige, das Kompakte einen günstigen Nährboden. So wie die Habsburger an ihrer berühmten Unterlippe zu erkennen sind und waren, findet man gerade bei Damen in britischen Herrenhäusern immer wieder jene Mimik, jenes Lachen, die den Älteren unter uns noch aus der Fernsehserie Fury bekannt sind.

Der Belgier Van Rompuy wiederum entspricht jenem kerneuropäischen Typus Mann, welcher der Albtraum jedes ermittelnden Polizisten ist. Er hat keine besonderen Merkmale. Er hat eine Nase und irgendwie auch Haare, wenige, aber nicht ganz wenige. Der Mund sitzt über dem Kinn, die Ohren sind an der Seite des Kopfes angebracht. Eilte er von einem Tatort davon, könnte ihn kaum ein Zeuge dem Phantombildzeichner hinreichend beschreiben.

Wahrscheinlich ist Belgien mit seiner französischen Unordnung, seiner niederländischen Pedanterie, seinem deutschen Provinzialismus sowie seiner autochthonen Skurrilität ohnehin das europäischste Land Europas. Van Rompuy wiederum sieht aus wie der Belgier an sich und verkörpert so auch den Europäer par excellence: hellhäutig, brillentragend, unbeeindruckend. Soll ja auch nicht schön sein, dieses Europa, sondern funktionieren.

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