Kollegah im Gespräch:"Rap war schon immer intelligent"

Ghettomusik für Fortgeschrittene: Weshalb die schwulen- und frauenfeindlichen Texte im "Zuhälter-Rap" des deutschen Hip Hoppers Kollegah eine ganz eigene Lyrik und Intelligenz haben.

Toni Lukic

Hip-Hop im Jahr 2011 soll vor allem eines sein: Rap aus dem Weichspüler. Den will der Gangstarapper Kollegah nicht bieten. Er nennt seine Musik "Zuhälter-Rap". Seine Texte haben primitive Inhalte, er selbst spielt den Ghetto-Helden. Dabei hat Kollegah, oder bürgerlich Felix Antoine Blume, Abitur und studiert Jura. Seine Texte trägt er mit Wortgewandtheit und Intelligenz vor. Trotzdem will das Bremer Jugendamt die frauen- und schwulenfeindlichen Texte des Rappers auf den Index bringen. Die Antifa forderte sein Konzert in Bielefeld abzusagen.

Kollegah

Nennt seine Musik selbst "Zuhälter-Rap": Der deutsche Hip-Hopper Felix Antoine Blume alias Kollegah.

(Foto: Julian Essink)

sueddeutsche.de: Warum muss sich Ihr Rap gegen den Vorwurf verteidigen gewaltverherrlichend zu sein?

Kollegah: Wenn man den Hip Hop-Jargon nicht versteht, sieht das alles sehr hart aus. Die Jugendlichen haben aber einen anderen Zugang dazu und verstehen, wenn man im Rap-Jargon "Du Schwuchtel" sagt, nicht Homosexualität gemeint ist. In der Battlekultur des Raps ist es einfach ein diffamierender Ausdruck. Und natürlich ist dabei nicht alles bierernst gemeint.

sueddeutsche.de: Trotzdem: Haben Sie nicht Verantwortung als Musiker?

Kollegah: Eine gewisse Verantwortung hat man schon. Aber ich kenne meine Fans und weiß, wie die das aufnehmen. Keiner von ihnen rennt nach dem Konzert los und knallt irgend jemanden ab oder schmuggelt Koks über die Grenze. Die wissen genau wie das gemeint ist: Als Entertainment, als gerappten Actionfilm.

sueddeutsche.de: Sie bezeichnen Ihre Musik als "Zuhälterrap". Dabei benutzen Sie oft intelligente Wortspiele, die man erst beim zweiten Hinhören versteht. Wie passt diese Lyrik mit Ihrer Machoattitüde zusammen?

Kollegah: Sehr gut. Ich bin der Einzige, der diesen harten Rap auf intelligente und sprachlich gewandte Weise durchzieht. Es kommt vor, dass Germanistikstudenten Arbeiten über meine Texte verfassen, sie im Kern auseinander pflücken und dann die sprachlichen Finessen aufzeigen.

sueddeutsche.de: Kann man erfolgreichen Straßenrap nur noch machen, wenn man mehr bietet, als nur die platte Zurschausstellung seiner eigenen Stärke?

Möglichst hart und authentisch

Kollegah: Vor sieben Jahren etwa, als sich deutscher Gangstarap entwickelte, hat man nicht so sehr drauf geachtet, ob der Rapper technisch versiert ist oder ob seine Musik gut ist. Es ging darum, möglichst hart und authentisch aufzutreten. Die Leute hatten relativ schnell genug davon. Mittlerweile muss man viel mehr bieten.

sueddeutsche.de: Ist Rap intelligenter geworden?

Kollegah: Nein, Rap war schon immer intelligent. Als Hip Hop in den 90ern nach Deutschland kam haben Leute wie Eins Zwo oder die Massiven Töne schon anspruchsvolle und durchdachte Sachen gemacht. Das wiederholt sich jetzt einfach durch Leute wie Casper oder Marteria.

sueddeutsche.de: Viele Studenten hören Ihre Musik. Weil ihnen der jetzige Rap zu harmlos ist, Sie aber intelligente Texte bieten?

Kollegah: Schubladen wie dass jeder Student soften und jeder Hauptschüler harten Rap hört, sind überholt. Wenn man gerne Action- oder Horrorfilme schaut heißt es ja auch nicht, dass man nichts in der Birne hat. Genauso kann man sich als Student harten Rap anhören, wenn einem das besser gefällt.

sueddeutsche.de: Wie erklären Sie sich den Erfolg von Deutschrap dieses Jahr?

Kollegah: Deutschrap ist angesagt, weil er so facettenreich ist wie lange nicht mehr.

sueddeutsche.de: Hat Englisch ausgedient?

Kollegah: Nein komplett verdrängt wird Englisch nicht. Die deutsche Sprache ist da oft zu trocken, ernst und sperrig. Englische Songs sind für die Clubszene besser geeignet.

sueddeutsche.de: Sie studieren an der Universität Mainz Jura. Wie kompatibel ist das Leben eines Zuhälterrappers mit dem eines Jurastudenten?

Kollegah: Nach meiner Rapkarriere möchte ich den nächsten Schritt machen und eine Anwaltskanzlei eröffnen.

sueddeutsche.de: Inwieweit ist Hip-Hop ein Geschäft?

Kollegah: Es fällt auf, dass sich Rapper auf die übelste Art und Weise beleidigen. Kommt aber nach Jahren ein Manager, um ein lukratives gemeinsames Projekt vorzuschlagen, dann ist auf einmal wieder Friede, Freude, Eierkuchen.

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