Kleine Form:Pas de deux am Zürichsee

Dame mit Hündchen: Dana Grigorcea huldigt Anton Tschechow in einer Novelle voller Poetik, Poesie und Anmut.

Von Volker Breidecker

Die Tänzerin heißt Anna. Getanzt hat sie auf allen großen Bühnen der Welt. Zu Hause ist sie in Zürich, verheiratet, doch als Liebhaberin begehrt. Hochkontrolliert, hält sie in allen Liebeshändeln die Fäden in der Hand, bis zum stets taktvoll inszenierten Abgang. Nur einmal gerät sie aus dem Takt. Auf der Seepromenade hinter dem Opernhaus begegnet sie dem türkischen Kurden Gürkan und beginnt mit ihm eine Affäre. Freilich traut sie dem zugefallenen Glück nicht über den Weg, denn Zufälle gibt es in keiner Choreografie, auch nicht in Gürkans Metier, der Gartenbaukunst. Seiner Aufsicht über die Uferbegrünung verdanken sich die täglichen Begegnungen. Mit dem Abschluss der Arbeiten endet für Gürkan die Zeit in Zürich und für die Liebenden eine Liaison, wie geschaffen für eine schöne Erinnerung.

Bis Anna an sich selbst eine Veränderung wahrnimmt, die mit ihrem zur zweiten Natur gewordenen kontrollierten Körpergefühl nicht übereinstimmt: "Die Freiheit", sagte sie einmal zu Gürkan, "befinde sich immer zwischen den Tanzschritten. Dort ende die Macht des Choreografen." Da capo! Encore! Ausgang offen. "Gebt mir neue Schlüsse, und ich erfinde euch die Literatur neu", soll Tschechow einmal gesagt haben. Die seit langem in Zürich lebende gebürtige Rumänin Dana Grigorcea animierte dies zu einer auch sprachlich bezaubernden Hommage an den Verfasser der berühmten Novelle "Die Dame mit dem Hündchen". Ein Pas de deux von Poetik und Poesie, voller Anmut.

Dana Grigorcea: Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen. Novelle. Dörlemann Verlag, Zürich 2018. 128 Seiten, 16 Euro. E-Book 11,99 Euro.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: