Kleidung in Iran:Drunter und drüber

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Frauen im Iran müssen Kopftuch und Mantel tragen. Viele hassen es. (Foto: Abedin Taherkenareh/dpa)

Männer mit Kopftuch, Sportdress für Olympia: In Iran wird über die Garderobe aufgeregt gestritten.

Von Bahareh Ebrahimi

Ein persisches Gedicht sagt: "Nicht schöne Kleidung ist das Symbol der Menschlichkeit, sondern der Geist." Kleidung soll also im persischen Raum keine Rolle spielen. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Dafür muss man nur einen Blick auf ein paar Nachrichten aus Iran werfen.

Nehmen wir die düstere, schmucklose Kleidung des iranischen Olympiateams, die bei ihrer Vorstellung vor einigen Wochen vielen Iranern so peinlich war, dass eine Welle aus Spott und Hohn durch die sozialen Netze ging. Viele Iraner dachten sofort an die Fußball-WM 2014. Damals war auf den Trikots der iranischen Nationalmannschaft ein riesiger persischer Leopard zu sehen. Die Kritik war gnadenlos. Dieses Mal wurde die persische Ehre knapp gerettet. Eine Woche vor dem Beginn der Spiele in Rio stellten die Olympiaorganisatoren einen anderen Entwurf vor - in Weiß, abgesetzt mit den Nationalfarben Grün und Rot -, der die meisten zufriedenstellte.

Für die Iranerinnen ist die Sache noch komplizierter. Sie sind die einzigen Frauen der Welt, die trotz - oder gerade wegen - des Hidschab-Zwangs eine besondere Art des Kopftuchtragens entwickelt haben. Wenn eine Frau ein Kopftuch trägt, aber sehr, sehr viele Haare zeigt, ist sie unbedingt Iranerin. Deswegen sehen die Ultrakonservativen den Islam in Iran übrigens als in seinen Grundfesten erschüttert an.

Aus Protest gegen den obligatorischen Hidschab gründete die Exiliranerin und Journalistin Masih Alinejad vor zwei Jahren eine Facebook-Seite "Azadie Yawaschakie Zanan dar Iran", die heimliche Freiheit der Frauen in Iran. Sie rief die Iranerinnen dazu auf, ihre Kopftücher fallenzulassen und Porträts ohne Kopftuch auf der Seite zu veröffentlichen. Jüngst haben aus Solidarität mit den Iranerinnen auch iranische Männer Fotos auf dieser Facebook-Seite veröffentlich, diesmal aber mit Kopftuch. Inzwischen wurde sogar ein Trend daraus, Hashtag #MenInHijab.

Das alles aber ist harmlos verglichen mit den Ereignissen Ende Juli in Teheran. In der iranischen Hauptstadt fand das Hafis-Fest statt, ein nicht-staatliches Film- und Fernsehfestival, bei dem die besten Kinofilme und Fernsehserien des Jahres ausgezeichnet werden. Wie immer kamen viele Prominente und Schauspieler, wie immer ließen sie sich fotografieren.

Alles lief blendend, die Posen, die Preise, der Applaus, bis sich die ultra-rechte Wochenzeitung Yalesarat Alhossein, die sich gerne mit dem Thema Hidschab beschäftigt, über das Aussehen der Frauen empörte: winzige Kopftücher, vorn und hinten Haare, bunte helle Sommermäntel, manche sogar offen! Dazu zeigte das Blatt Fotos vom roten Teppich mit den Schauspielerinnen und ihren Ehemännern.

Es gibt ein vulgäres arabisches Schimpfwort, "Dayyus", das ab und zu auch im persischsprachigen Raum benutzt wird. Es bezeichnet Männer, die ihre Frauen nicht im Griff haben, nach Ansicht der radikalen Zeitung eben jene Männer auf dem Festival, denen das lose Kopftuch der Frauen gleichgültig war. Neben der Frage "Wer ist Dayyus?" zitierte das Blatt außerdem Aussagen von Imamen, die bekräftigten, dass diese Männer nie ins Paradies kommen würden. Kurz: Die ganze Ausgabe war ein großer Skandal, vor allem für die Männer der prominenten Familien.

Die Folge war ein Proteststurm der Prominenten, bis das Kulturministerium mit Verweis auf die Beleidigung der Schauspieler und Schauspielerinnen die Zeitung verbot. Seltsamerweise erschien das Blatt in der darauffolgenden Woche trotzdem, was für die iranische Presse eher ungewöhnlich ist. Iran ist ein kompliziertes Land mit einem der kompliziertesten Regierungssysteme der Welt. Der Chef der Justiz wird vom Revolutionsführer bestimmt, setzt also dessen Ideologie um. Und so konnte die Justiz gegen den Willen des Kulturministers verfügen, dass die Zeitung "vorübergehend" wieder verkauft werden durfte.

In diesem Land der Widersprüche scheint alles möglich zu sein: Verbotene Zeitungen erscheinen, Männer tragen Kopftuch. Und Frauen zeigen sehr viele Haare.

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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