Klassische Musik:Der Rebell kehrt zurück

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Für die jungen Musiker des Festivalorchesters ist es eine Auszeichnung, mit den großen Namen der Klassik-Szene spielen zu dürfen. (Foto: KJ Hildenbrand)

Obwohl der britische Geiger Nigel Kennedy schon einmal beträchtlichen Ärger mit der Polizei in Bad Wörishofen hatte, bereichert er das "Festival der Nationen" in diesem Jahr mit einem experimentellen Bach-Programm

Von Rita Argauer

Als Nigel Kennedy vor ein paar Jahren in der Münchner Philharmonie auftrat, lagen - recht einfach auf Din-A-4-Seiten ausgedruckt - Programmzettel in den Sitzreihen. Doch darauf fanden sich nicht nur die Stücke, die das britische Geigen-Enfant-Terrible zu spielen gedachte. In bester Rebellenmanier hatte Kennedy da ein Pamphlet gegen die Polizei, insbesondere gegen die in einem kleinen Allgäuer Kurort veröffentlicht. Man solle doch bitte das "Bad" in Bad Wörishofen englisch aussprechen, stand da zu lesen, denn das wäre nur angebracht angesichts der völlig ungerechtfertigten Drogen-Razzia, der sich Kennedy in seinem Hotel nach seinem Konzertauftritt aussetzen musste. Die Bad Wörishofener Beamten sahen das natürlich ein wenig anders, letztlich konnte Kennedy aber nichts Belastendes nachgewiesen werden.

Es überrascht also, dass Nigel Kennedy nun erneut in Bad Wörishofen auftritt. Und zwar beim "Festival der Nationen", einer glitzernden Klassik-Festwoche, die dort nun schon zum 21. Mal stattfindet. Doch es ist auch überaus lohnend, dass Kennedy dem Kurort verziehen hat, denn ein großer Aspekt des Selbstverständnisses des Festivals ist die Nachwuchsförderung. Und Kennedys Aufbegehren und dessen Unangepasstheit könnte den jungen Musikern, die üben wie die Berserker, um im festivaleigenen Jugendorchester mitzuspielen zu dürfen, ein ebenso gutes Vorbild sein, wie etwa Julia Fischer, die im vergangenen Jahr dort zusammen mit dem Jugendorchester Sibelius' Violinkonzert spielte.

Auch in diesem Jahr war der Andrang der klassisch musizierenden Jugend um einem Platz in diesem Orchester groß. "Wir hätten drei Festivalorchester besetzen können", sagt Organisator Werner Roch, so viele Anmeldungen seien zu den Vorspielen, die im Frühsommer in ganz Bayern stattfanden, eingegangen. Dieses überdurchschnittliche Interesse mag vielleicht an dem Solisten liegen, der mit dem Jugendorchester in diesem Jahr gemeinsam Max Bruchs Violinkonzert Nr. 1 in g-Moll spielen wird (Sonntag, 27., und Montag, 28. September). Denn den Part der Solo-Violine übernimmt David Garrett. Garrett ist zwar im Vergleich zu Kennedy, der sein experimentelles Bach-Programm am Mittwoch, 30. September, in Wörishofen spielt wird, der poliertere Ausbrecher aus der reinen Klassik-Interpretation, er sei jedoch für die jugendlichen Musiker bestimmt ein Magnet, sagt Roch.

Und Garrett ist Bad Wörishofen treu. Er spiele nun schon zum dritten Mal beim Festival der Nationen mit dem Jugendorchester. Und er habe es dabei mittlerweile zur Tradition gemacht, eine Art öffentliche Generalprobe ausschließlich für ein junges Publikum zu veranstalten. So wird am Vormittag vor dem Konzert vor knapp 900 Kindern die Musik erklärt und geprobt. Gleichzeitig führt Garrett dazu seine Geige vor und lässt das Instrument als nahbare und aktive Musikvermittlung von den Kindern begutachten.

Auch das ist Konzept beim Festival der Nationen. Denn neben der Jugendförderung wird dort innerhalb einer Woche eben ein glamouröses, aber auch sehr zugängliches Klassik-Programm präsentiert. In diesem Jahr steht dessen Planung unter dem Aspekt der Geige. Und die beiden konträren und doch auch an der Popkultur und zeitgenössischen Musikwahrnehmung orientierten Ansätze von Garrett und Kennedy treffen dabei auf Giuliano Carmignola und seine historisch informierte und streng barocke Aufführungspraxis, mit der er Vivaldis "Vier Jahreszeiten" zu Gehör bringt (Samstag, 26. September).

Vivaldi oder auch Tschaikowskys Ballettmusiken, die das Münchner Rundfunkorchester bei der Abschlussgala spielt, sind da schon mehr die Gassenhauer der Klassik. Doch die renommierten Interpreten dürften das feinsinnig präsentieren. Etwa der Cellist Mischa Maisky (zusammen mit dem Münchener Rundfunkorchester am Freitag, 25. September), Bob Ross' "Blechschaden" (Sonntag, 27. September) und die Pianistin Khatia Buniatishvili (ebenfalls mit dem Rundfunkorchester zur Abschlussgala am Samstag, 3. Oktober).

Festival der Nationen , Freitag, 25. September bis Samstag, 3. Oktober, Kurhaus Bad Wörishofen

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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