Klassik:Tempo, Tempo

Klassik: Wenn sein Bogen über die Seiten flitzt, sieht Nemanja Radulović seinem Idol Paganini ähnlich.

Wenn sein Bogen über die Seiten flitzt, sieht Nemanja Radulović seinem Idol Paganini ähnlich.

(Foto: Charlotte Abramow/DG)

Nemanja Radulović auf den Spuren des Teufelsgeigers

Von Dirk Wagner

Die Idee, für sein neues Album "Bach" auch Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge in d-Moll BMV 565 auf Violine zu spielen, hätte ihm seine Schallplattenfirma zugetragen, sagt der aus Serbien stammende Geiger Nemanja Radulović: "Ich fand den Vorschlag am Anfang furchtbar. Warum sollte man ein Werk, das für ein so riesiges Instrument wie die Orgel geschrieben ist, auf eine kleine Geige herunterbrechen?" Doch das Arrangement, das ihm Aleksandar Sedlar für sein Orchester "Les Trilles du Diable" ausgearbeitet hatte, überzeugte den Virtuosen, der schon als 14-Jähriger ans Pariser Konservatorium ging.

Ursprünglich wollte er nach Deutschland ziehen, wo er bereits in Saarbrücken einen Studienplatz hatte. Das war direkt nach dem Balkankrieg. "Für meine Familie war es zu der Zeit aber leichter, eine Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich zu bekommen", sagt Radulović. Über den Bruch mit seiner früheren Heimat habe ihm damals die Musik von Ludwig van Beethoven geholfen: "Musik kann einem diese Geborgenheit bieten, die man vermisst, wenn man alles Vertraute hat verlassen müssen. Beethovens Musik faszinierte mich so sehr, dass ich sie auch selber spielen wollte", sagt er. Sein Professor habe ihn dafür zu jung gehalten. Zuhause spielte er das Stück trotzdem: "Das war eine echte Herausforderung."

Bezeichnenderweise verhalf ausgerechnet Beethovens Violinkonzert Radulović zu seinem Durchbruch, als er nämlich 2006 während seines Debüts beim Orchestre Philharmonique de Radio France für Maxim Vengeriv einsprang. Neun Jahre später wird ihm dann der Echo Klassik als Nachwuchskünstler des Jahres überreicht. Da war er schon, nach bereits sechs Alben bei anderen Labels, zur Deutschen Grammophon gewechselt. Hier wurde der junge Violinist mit seinen langen schwarzen Haaren als ein Nachfolger Niccolò Paganinis gehandelt, und auf dem Album "Paganini Fantasy" versuchte er sich erstmals an den Kompositionen der Violinisten-Legende.

Wenn er auf seinem neuen Album nun Werke von Bach spielt, mag man ihm ob der rasenden Tempi Effekthascherei im Stile Paganinis vorwerfen. Und auch Sedlars Arrangement der Toccata und Fuge in d-Moll ist letztlich mehr Popmusik, als dass sie der Erhabenheit jenes Meisterwerks für Orgel gerecht würde. Doch Radulović versucht ja bewusst, Bach vom Altar zu holen, um ihn der Allgemeinheit, wie Radulović sagt, zugänglich zu machen. Und da berührt die Toccata dann eben doch. Auch wenn sie bisweilen ein wenig kitzelt.

Nemanja Radulovic spielt Vivaldis "Vier Jahreszeiten", Sonntag, 18. Dezember, 11 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregentenplatz 12

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