Klassik-Open-Air:Angekommen

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Gergiev dirigiert erstmals "Klassik am Odeonsplatz"

Von Michael Stallknecht, München

"Klassik am Odeonsplatz", das bedeutete schon immer die Balance zwischen dem Populären und dem Feinsinnigen. Zum Abschluss seiner ersten Saison als Chef der Münchner Philharmoniker stellte sich Valery Gergiev zum ersten Mal der Herausforderung und setzte am Samstagabend auf ein Programm aus durchaus bekannten Stücken. Dass er sie nicht an vordergründige Knalleffekte verraten würde, spürte man schon in der Suite zu Tschaikowskys "Schwanensee". Das Malerische und Pittoreske eher zurückstellend, setzte er auf tänzerische Eleganz und eine melancholisch verschattete Leichtigkeit, an der Grenze des Machbaren dahinwirbelnd in den schnellen Sätzen und damit durchaus effektvoll, aber immer straff und pointiert.

Keine Frage, Gergiev und die Philharmoniker haben näher zusammengefunden in diesem Jahr. Dass sie sich im warmen, schwelgerischen Klangideal einig sind, verdeutlichte die Suite zu Richard Strauss' "Rosenkavalier". Wie genau sie auch größte Bögen miteinander zu spannen vermögen, hörte man dagegen in Maurice Ravels "Boléro", der sich - technisch ungeheuer anspruchsvoll - stufenlos, ohne Sprünge in der Dynamik steigerte.

Dazwischen konnte man auf den Großbildschirmen bewundern, welche Ungeheuerlichkeiten Daniil Trifonov als Solist in Tschaikowskys Erstem Klavierkonzert mit seinen Händen zu vollbringen vermag. Doch auch bei Trifonov entspringt diese Virtuosität nur dem Willen zu einer bedingungslosen Klarheit, mit der er das Konzert in ein Kaleidoskop voller dort teilweise nie gehörter Farben auffächerte. Das Tempo immer wieder ungewöhnlich zurücknehmend, schufen Gergiev und er viel Raum für empfindsame und elegische Momente. Trifonov füllte sie mit hinreißend zarten Klangspielen, die träumerisch in den Münchner Nachthimmel emporflogen. Gergiev aber scheint mit diesem Konzert endgültig im Herz der Stadt angekommen zu sein.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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