Klassik:Heißer Klang, kalte Rechnung

Enoch zu Guttenberg

Meister der Unbedingtheit: Dirigent Enoch zu Guttenberg.

(Foto: dpa)

Den "Herrenchiemsee Festspielen" gehen die Sponsorengelder aus

Von Michael Stallknecht, Herrenchiemsee

Es ist heiß in der Spiegelgalerie von Schloss Herrenchiemsee, unerträglich heiß. Doch die Hitze kommt auch von der Bühne, wo Enoch zu Guttenberg am Donnerstagabend das "Stabat mater" von Antonín Dvořák dirigiert. Guttenberg inszeniert den Schmerz der Gottesmutter unter dem Kreuz als ausweglose Tragödie, eine in ihrer Unbedingtheit ziemlich typische Aufführung für ihn.

Seit dem Jahr 2000 hat sich der Dirigent mit den "Herrenchiemsee Festspielen" einen Ort geschaffen, an dem er diese Unbedingtheit für zwei Wochen leben kann. So wie Ludwig II. für zehn Tage im Jahr hierher kam, um von einer besseren Welt zu träumen. "Von fremden Ländern und Menschen" lautet das Motto, das wie in jedem Jahr auch die Verbindung zum Märchenkönig sucht. Auf dem Programm stehen Smetanas "Mein Vaterland", Schumanns Orientalismus-Phantasie "Das Paradies und die Peri", aber auch ein Abend, der mit venezianischer und türkischer Musik an die Seeschlacht von Lepanto erinnert. Mit dem Bamberger Symphonikern, dem Gabrieli Consort unter Paul McCreesh oder dem jungen Pianisten Jan Lisiecki setzen hochkarätige Gäste auf die Insel über.

Doch ob es künftig so weitergehen kann, steht gerade ziemlich in den Sternen. Der Hauptsponsor Deutsche Bank hat den Zuschuss von ursprünglich 1,2 Millionen auf 150 000 Euro reduziert. Der Freistaat ist in diesem Jahr schon zum zweiten Mal mit etwa 700 000 Euro eingesprungen. Doch weil die Herrenchiemsee Festspiele damit mehr bekommen als alle anderen bayerischen Festspiele, gibt es politischen Widerstand, soll nun auch dieser Betrag in den nächsten Jahren weiter abgeschmolzen werden. "Ich höre lieber auf, als dass ich die Qualität reduziere", sagt Guttenberg.

Dass die Qualität stimmt, hört man auch im "Stabat mater". Die einst von Guttenberg gegründete Chorgemeinschaft Neubeuern formt die Phrasen einzeln durch und gestaltet sie aus einer detaillierten Wortdeutung. Guttenberg verabscheut Musik als Konsumgut, die Inhalte sollen ins Zentrum. "Fac ut ardeat cor meum" heißen die hier: Lasst die Herzen glühen vor Gottesliebe. In Wogen brandet der Schmerz über den Hörer hinweg, Steigerungen ragen auf wie Gewitterwolken. Dabei klingt das Orchester der Klangverwaltung nicht fett, spielt sogar eher vibratoarm. Wenn im zweiten Teil die Musik an Intimität gewinnt, wünscht man sich von ihnen die Pianos freilich noch geheimnisvoller und inniger. Doch es ist durchaus hier auch Guttenbergs Konzept, sich aller Süße zu verweigern, das mit Dvořák manchmal assoziierte Sentiment zu meiden. Der Schlusssatz, der triumphal die Auferstehungshoffnung ausspricht, bekommt da fast etwas Irreales, gerät nahe an die halbironischen Schlüsse Gustav Mahlers dreißig Jahre später.

Am Tag nach dem Festspielende am 26. Juli wird dieses "Stabat mater" noch einmal zu hören sein, dann für sozial benachteiligte Menschen des Landkreises. Guttenberg spendiert diese Aufführung aus eigener Tasche. Für den großen Rest müssen wohl andere Lösungen gefunden werden.

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