Klassik:Der Souverän

yoyo ma

Fröhlichkeit ist der beste Lehrmeister: Yo-Yo Ma (rechts) mit einer Studentin seines Meisterkurses.

(Foto: Peter Meisel)

Eine Woche ist der Cellist Yo-Yo Ma zu Gast bei den BR-Symphonikern. In der Philharmonie zelebriert er Gelassenheit bei Bachs Cello-Suiten

Von Michael Stallknecht

"Die Konzentration im Publikum - das war doch unglaublich", sagt Torben Hanhart. "Die Leute sind eigentlich immer stiller geworden." Der Theaterwissenschaftsstudent gehört zu einer Gruppe von Stipendiaten der Studienstiftung des deutschen Volkes, die nach dem Ende des Konzertes in der Kantine der Philharmonie auf Yo-Yo Ma warten, gemeinsam mit den Cellisten des BR-Symphonieorchesters. Am Ende kommt der berühmteste Cellist der Welt leider doch nicht, doch das Schwärmen geht weiter, auch unter den Cellisten, die den Abend fast vollzählig besucht haben. Yo-Yo Ma lässt ausrichten, er sei einfach zu müde. Verständnis dafür hat jeder.

Schließlich hat er gerade drei Stunden allein auf der riesigen Bühne der Philharmonie gegessen und das Grundlagenwerk seines Instruments gespielt: die sechs Suiten für Cello solo von Johann Sebastian Bach. Ein ungeheurer Kraftakt, dem sich nur wenige Cellisten auszusetzen wagen. Und tatsächlich kann man nur staunen, wie hoch die Konzentration des Publikums bleibt, wie wenig gehustet wird. Als doch einmal ein Programmheft hinunterfällt, hört man es im ganzen Raum.

Dabei ist das Publikum durchaus bunter gemischt als in anderen Konzerten, ist gerade der Anteil an jungen Konzertbesuchern auffallend hoch. Yo-Yo Ma ist einer der ganz wenigen Weltstars der Klassik, eine der public figures in den USA und eigentlich auf der ganzen Welt. Für viele ist er einfach der Mann, der am ersten Jahrestag des 11. Septembers in New York gespielt hat oder zur Inaugurationsfeier von Barack Obama. Doch erlebt man Yo-Yo Ma im Gasteig, dann spielt er nichts davon aus. Lässig scherzt er nach der ersten Suite mit zwei Besucherinnen, die in der ersten Reihe zu spät kommen.

Eine ganze Woche lang ist Ma aktuell beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu Gast. Hat einen Meisterkurs für ausgewählte Studenten gegeben, allein Bach gespielt und nun am Wochenende mit dem Orchester unter Mariss Jansons "Don Quixote" von Richard Strauss. Es ist nicht die erste Begegnung des Orchesters mit ihm, manche der Musiker haben in den vergangenen Jahren auch schon Kammermusik mit ihm gespielt. Wer immer mit ihm zu tun hatte, schwärmt davon, wie sehr er sich zurücknehmen kann, wie partnerschaftlich er agiert. Yo-Yo Ma scheint einer der seltenen Menschen zu sein, die strikt von der Sache her denken. Bei einer Japan-Tournee setzte er sich einmal ans letzte Pult der Celli, um eine Symphonie mitzuspielen. Und bei den Meisterkursen, die im Werksviertel stattfanden, sah sich Ma aufmerksam das Gelände an, das, jedenfalls bislang, für den gerade dem BR sehr wichtigen neuen Konzertsaal vorgesehen ist.

Nebenher entstand so ein Programmpunkt, der nicht geplant war: ein Kammerkonzert mit Ma und Mitgliedern des Orchesters für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge. Als man ihm von der schwierigen Situation der Flüchtlinge erzählte, regte Ma spontan an, ob sich da nicht etwas machen ließe. Schließlich hat der in Frankreich geborene, in den USA aufgewachsene Sohn chinesischer Eltern selbst einen Migrationshintergrund. "Er ist kein PR-Phänomen", schwärmt Peter Meisel, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des BR, "sondern ein authentischer Künstler."

Es ist wohl auch das, was letztlich für die dreistündige Konzentration in der Philharmonie sorgt. Ma tut drei Stunden lang einfach, was zu tun ist. Und die Souveränität, die er dabei ausstrahlt, entsteht aus einer ziemlich einmaligen Mischung von Lässigkeit und Neugier auf die konkrete Situation des Abends. Es steht zu erwarten, dass das bei den beiden Auftritten mit Richard Strauss' "Don Quixote" ähnlich sein wird. Mehr dazu am kommenden Montag in der Kritik im Feuilleton dieser Zeitung.

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