Klassik:Der Lyriker

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Der Schwede Nicolai Gedda ist einer der herausragendsten Tenöre überhaupt. Am 11. Juli wird der Meistersänger 90 Jahre alt. (Foto: Erwin Elsner/dpa)

Der große Tenorsänger Nicolai Gedda wird am Samstag 90 Jahre alt. Seine Stimme erfüllt Werke von Mozart und Wagner mit Leben.

Von Helmut Mauró

Er ist einer der größten Tenöre des vergangenen Jahrhunderts; am morgigen 11. Juli, wird er 90 Jahre alt. Harry Gustaf Nikolaj Gädda, berühmt als Nicolai Gedda, hat Generationen von Musikliebhabern begeistert und tut dies dank zahlreicher Plattenaufnahmen noch heute. Kaum ein lyrischer Tenor besitzt eine solche Geschmeidigkeit und innere Glut, beherrscht zudem akzentfrei Schwedisch, Russisch, Deutsch, Italienisch, Französisch und Englisch. Sein bewegter Lebenslauf ermöglichte ihm solcherlei Sprachgewandtheit. Von 1928 bis 1936 lebte die schwedische Familie in Leipzig, sein russischer Stiefvater war Kantor an einer russisch-orthodoxen Kirche. Dort begann Gedda seine musikalische Ausbildung, studierte dann ab 1936 in Stockholm, wo er 1952 als "Chapelou" in Adolphe Adams "Le Postillon de Lonjumeau" debütierte, eine seiner Paraderollen.

Leider hob man seine Operettenrollen immer besonders hervor. So erschien zu seinem Geburtstag eine Zusammenstellung seiner besten Operettenaufnahmen (Warner). Dabei war er als Tamino, Don Ottavio und weiteren Mozart-Rollen schier unvergleichlich, ebenso in der Titelrolle von Massenets "Werther", Gounods "Roméo et Juliette", Wagners "Lohengrin" und weiteren 50 großen Opernrollen.

Seine helle Stimme brachte Gedda mittels perfekter Technik zu ungeahnter Flexibilität und leuchtender, aber nie metallisch glatter Strahlkraft. Seinen samten lyrischen Schmelz behielt er bis ins Alter - noch Anfang der Nullerjahre gab er Liederabende. Die lyrische Leichtigkeit seiner Stimme prädestinierte ihn nicht nur für Mozart-Rollen und für das französische Fach, sondern auch für die Titelrolle von Wagners "Lohengrin". An der Stockholmer Oper machte er damit Furore und wurde prompt nach Bayreuth eingeladen, wo ihm je zwei Ruhetage zwischen den Aufführungen versprochen, aber nicht eingehalten wurden. Daraufhin sagte er ab, denn die Partie des "Lohengrin" beansprucht die Stimme über die Maßen. Sie bewegt sich zwar durchgehend in der Mittellage, muss aber das komplette Orchester übertönen.

Diese Belastung führe zu großen Verspannungen, klagte Gedda, der zeitgleich mit den Stockholmer Lohengrin-Aufführungen Mozarts "Entführung" in Wien aufnahm. Dort musste dann die koloraturselige große Baumeister-Arie gestrichen werden, weil Gedda nicht mehr zur gewohnten Wendigkeit seiner Stimme fand. Ein Jahr später nahm er eine englische Version der Oper mit Yehudi Menuhin in London auf (Chandos). Sein Stockholmer Lohengrin-Mitschnitt vom Januar 1966 erschien erst 2002 (Ponto). Wenn man dem Geheimnis Geddas nahekommen will, muss man sich in die Operngesamtaufnahmen hineinhören. Die zahlreich angebotenen Kompilationen lassen seine Größe bestenfalls erahnen.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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