Klassik:Botschafter der Reformation

Auftakt zur Luther-Liederreihe der evangelischen Kirchen

Von Rita Argauer

Eigentlich ist das ein klassischer Protestsong. In den zwölf Strophen seines ersten bekannten Liedes legt Martin Luther anschaulich und bisweilen auch in erzählender Moritatenhaltung seine Empörung dar. Denn am 1. Juli 1523 waren in Brüssel reformatorisch gesinnte Augustinermönche verbrannt worden. Die grausame Strafe schockierte Luther. "Ein neues Lied wir heben an", damit beginnt sein musikalischer Ausdruck darüber; er zeichnete die Getöteten als Helden und machte die Geschehnisse in deutscher Sprache für alle nachvollziehbar.

Ein neues Lied erfuhr im Zuge Luthers auch das Christentum. Die Ideen des Reformators untergruben die Macht der dekadent gewordenen Repräsentanten der katholischen Kirche. Doch das reformierte Christentum wird - gerade im Gegensatz zum opulenten Katholizismus - deshalb gerne als trockener und ja auch weniger sinnlich wahrgenommen. Die Musik jedoch fand als Kunstform in der evangelischen Kirche einen ganz besonderen Platz. Johann Sebastian Bach, der einen Höhepunkt seines Schaffens als Thomaskantor in Leipzig erfuhr, ist da ein leuchtendes Beispiel. Doch das evangelische Dekanat München lenkt den Blick zum Beginn des Reformations-Jubiläumsjahres 2017 nun auf Martin Luthers ureigenen Zugang zur Musik.

Anders als die Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin hat sich Luther nie kritisch über Musik geäußert. Im Gegenteil: Er schätzte die Musik und den Gesang, was er bereits als Kind gelernt hatte. Später studierte er zur Theologie auch Musik und Kontrapunkt und hielt viel auf den Zugang zum Glauben, den vor allem das Singen in deutscher Sprache bot.

Diese oft so direkte emotionale Wirkung der Musik, abseits von Effekthascherei, mag auch den Ausschlag für ein Münchner Orchester gegeben haben, seine gesamte Saison dem Reformationsjubiläum zu widmen. Als geistiger Überbau schwebt Luthers Umwälzung über dem Programm des Münchener Kammerorchesters. Dabei geht es aber weniger um die Abbildung der geistlichen Musik der Reformation als vielmehr um das, was die Gedanken der Reformation längerfristig ausgelöst haben. Der Blick auf das eigene Orchester soll dabei genauso wichtig sein wie die Werkauswahl. Und es lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen: Der schlanke und präzise Klang dieses kleinsten der Münchner Orchester findet sein Pendant im reformatorischen Gedanken, den Glauben mehr im Innerlichen anstatt im äußerlichen Prunk zu suchen.

Um äußerliche Wirkung ging es Luther mit seinen Liedern aber schon. Sie wurden zu Botschaftern der Reformation. Denn der Protestgesang von 1523 blieb nicht sein einziges musikalisches Schaffen. Noch im selben Jahr erschien in Nürnberg das "Achtliederbuch", die erste reformatorische Liedsammlung, die Luthers Programm in musikalischer Form vermittelte.

Luther ist heute noch der am meisten vertretene Lieddichter in evangelischen Gesangsbüchern. Die Sänger auf den Marktplätzen, die in erzählender Manier in einer Funktion zwischen Klatschpresse und Erquickung von ihren Erlebnissen berichteten, waren ihm ein Vorbild. Eines der bekanntesten Weihnachtslieder Luthers nimmt zum Beispiel offen Bezug: "Ich kumm aus fremden Landen her, und bring euch viel der neuen Mär", so der ursprünglich profane Beginn von "Vom Himmel hoch, da komm ich her".

So heißt auch der erste Abend der Luther-Liederreihe, die die evangelischen Kirchen in München bis September 2017 regelmäßig aufführen werden.

Lutherlieder, erstes Konzert am Samstag, 8. Januar, 19 Uhr, Himmelfahrtskirche Sendling

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