"Ring des Nibelungen" in Berlin:Ein Versprechen

"Ring des Nibelungen" in Berlin: Alle vier Teile von Richard Wagners "Ring des Nibelungen" kommen in Berlin innerhalb von einer Woche heraus.

Alle vier Teile von Richard Wagners "Ring des Nibelungen" kommen in Berlin innerhalb von einer Woche heraus.

(Foto: MONIKA RITTERSHAUS)

"Der Ring des Nibelungen", neu inszeniert an der Berliner Staatsoper unter den Linden: Tcherniakov ernüchtert, Thielemann verzaubert - und Gewalt funktioniert immer.

Von Reinhard J. Brembeck

Der Vorarbeiter Alberich dreht immer obsessiver am Ring an seinem Finger, aber es tut sich rein gar nichts. Seine Arbeitssklaven schauen ihm dabei interessiert und unbeeindruckt zu. Die magischen Allmachtkräfte, die dem Utensil auch in Richard Wagners Monstertetralogie "Der Ring des Nibelungen" zugesprochen werden, sie wollen sich nicht zeigen. Besagter Ring ist in der Neuinszenierung an der Berliner Staatsoper unter den Linden eben nur ein ganz normaler Ring, ein Schmuckstück. Der Rest ist Fake. Erst als Alberich mit dem Baseballschläger wütet, spuren seine Gefolgsleute. Die Sprache der Gewalt funktioniert immer. Auch die Tarnkappe, die er sich ziselieren hat lassen, ist nur hübscher Tand. Sie funktioniert genauso wenig, erlaubt es aber der rivalisierenden Gang um Großwirtschaftsgangster Wotan, den Unterweltkleingangster Alberich auszuschalten.

Während Regisseur Dmitri Tcherniakov das "Rheingold", also den ersten "Ring"-Schnipsel, konsequent entgöttert, entdämonisiert und entmythologisiert, macht Dirigent Christian Thielemann genau das Gegenteil. Thielemann ist kürzlich für den erkrankten Daniel Barenboim, den Musikchef des Hauses, eingesprungen, dieser "Ring" war auch als Geburtstagsständchen für Barenboims 80.Geburtstag im November gedacht. Thielemann lässt zu Beginn das nach und nach einsetzende Strudeln und Strömen des Rheins, Wagner ist ein suggestiver Naturbeschreiber, nicht bloß in all seinen Details als wunderschön gearbeitetes Stück Programmmusik aufklingen, er erschafft auch sogleich und später immer wieder die Atmosphäre des Mythischen. Da strömt nicht nur ein Gewässer, sondern ein Schicksalsfluss, da begegnen sich Irdisches und Jenseitsweltliches.

Dmitri Tcherniakov aber, er ist wie üblich sein eigener Ausstatter, zeigt dazu kein Gewässer. Die Verdoppelung des Offensichtlichen ist diesem Meisterregisseur esoterischer Schicksalsgemeinschaften ein Gräuel. Also zeigt er dazu einen wissenschaftlichen Lichtbildervortrag aus der Gehirnforschung. Schließlich hat er den "Ring" in ein streng geheimes und von der Welt abgeschottetes Zukunftsforschungsinstitut der 1950er Jahre verpflanzt, das unter dem Kürzel E.S.C.H.E. firmiert. Der alberne Witz meint die Weltesche, die Wotans sich kreatürlich durchlavierende Macht meint. Der "Ring" wird von Tcherniakov einer analytischen Wissenschaft ausgeliefert - und somit auf seinen banalen Kern reduziert, den Überlebenskampf des Patriarchats.

Thielemann lässt es donnern

Es besticht und überwältigt, wie schön belcantoverliebt und textverständlich in Berlin gesungen wird. Das wird möglich, weil Thielemann und die Staatskapelle wundervoll leise die Sängerinnen und Sänger mit einem Zauberklangteppich ummanteln, sie nie bedrängen, nie unterjochen. Thielemann kann es aber auch donnern lassen, das ist dann, aus dem grundsätzlich Leisen kommend, umso beeindruckender. Noch beeindruckender ist der leichte Tonfall, das Strahlen, die Leichtigkeit und Beweglichkeit des Klangs. Thielemann rührt keine Schicksalsapokalypse an, er bietet eine Konversationskomödie. In diesem Punkt ist er sich mit dem Regisseur einig. Trotz aller Leichtigkeit zelebriert Thielemann die Partitur sehr gehalten langsam, immer wieder einmal fehlt den Sängern der lange Atem, um mithalten zu können.

Gerade lief in den Kinos die Kapitalismussatire "Der gute Chef" mit einem brillanten Javier Bardem. Der Berliner Wotan Michael Volle spielt eine ganz ähnliche Rolle, genauso großartig wie Bardem. Der auf scheiternde Machos spezialisierte Volle, seine wandlungsfähig dunkle Stimme ist dafür ideal, gibt einen lächelnden Meister der Machtintrigen, einen gönnerhaften Dauerpromisken, ein intellektuell unterbelichtetes Chefgroßmaul, das die Reichweite seiner kurzsichtig falschen Entscheidungen nie begreift. Und sich dabei immer auf einen besonders zwielichtigen Höfling verlässt. Dieser Loge wird von dem als Sänger schon länger und gern totgesagten Rolando Villazón gezeigt, als Narr nämlich, der aber als Einziger begreift, was Sache ist. Villazóns Loge ist ein Gesamtkunstwerk. Es ist hinreißend komisch, wie er seinen selbstgefällig eitlen Chef immer tiefer in den Schlamassel zieht.

Loge ist der destruktiv verspielte Konstrukteur der "Götterdämmerung", die den Berliner "Ring"-Zyklus am kommenden Sonntag beschließen wird. Keiner aus der "Ring"-Mischpoke kann sich intellektuell mit ihm messen, alle anderen denken nur mit der Faust. Das gilt für Alberich, dessen vergeblichen Kampf um Anerkennung Johannes Martin Kränzle berührend zeigt, aber auch für die genauso im Männermachtkampf unterliegenden Riesen von Mika Kares und Peter Rose. Und die Frauen? Sie haben nichts zu melden in dieser wie jeder anderen Männerwelt, in der sie nur als Schacher-, Sex- und Statusobjekte geduldet sind. Selbst die Urmutter Erda, Anna Kissjudit gibt sie unaufgeregt souverän, hat nur banale Weisheiten parat: "Alles, was ist, endet." Die ungewöhnliche Textverständlichkeit der Produktion macht nicht nur hier auf problematische und menschenverachtende Stellen des Textes aufmerksam. So beginnt der neue Berliner "Ring" vielversprechend als der übliche Machtkampf zwischen Führerclans, der durch orchestrale Klangwunder veredelt wird. Demnächst mehr.

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