Kinostarts der Woche:Welche Filme sich lohnen und welche nicht

"Kedi" kommt Istanbuler Straßenkatzen so nah, dass sie wie Diven und Psychopathen wirken. In "Der dunkle Turm" wird Stephen Kings Vorlage zerstückelt.

Von den SZ-Kinokritikern

Der Wein und der Wind

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(Foto: dpa)

Mit bezwingendem Charme beschwört Cédric Klapisch die französische Heiligtümer: Wein, Liebe, Familientradition. Drei erwachsene Geschwister (Pio Marmaï, Ana Girardot, François Civil) ringen nach dem Tod des Vaters darum, ob sie das familiäre Weingut in der Bourgogne weiterführen sollen. Eingehüllt in die Poesie der Landschaft und der großen jahreszeitlichen Feste muss diese Trio gerade so gären und reifen wie der Wein in den Fässern.

Der Stern von Indien

2 / 10
(Foto: dpa)

Gurinder Chadha wagt sich an die unmögliche Aufgabe, die komplexe politische Gemengelage vor Indiens Teilung 1947 in einem emotionalen Kostümdrama nachvollziehbar zu machen. Ihr Lösungsansatz: die rührselig-humorige Downton-Abbey-Manier von Hugh Bonneville (siehe Porträt nebenan), der als Lord Mountbatten die Unabhängigkeit regeln soll. Dazu eine zart bollywoodeske Romeo-und-Julia-Lovestory zweier Kammerdiener und spitzfindig betonte Parallelen zur Gegenwart (die Flüchtlingslager, die Machtspielchen, der "Indiexit"). Umschifft zwar weit historische Realitäten, ergibt aber toll ausgestattetes, geschicktes Unterhaltungskino.

Return of the Atom

3 / 10
(Foto: Jussi Eerola)

"Wird das Wasser wärmer, lässt sich das ganze Jahr fischen", sagt der Bürgermeister. Die Gemeinde nickt. Im kleinen Ort Eurajoki beginnt 2005 der Bau eines dritten Atommeilers; zwei gibt es dort schon. Denn in Finnland, so die Verantwortlichen, lassen sich die Menschen noch von der Vernunft leiten. Mika Taanila und Jussi Eerola begleiten über Jahre hinweg die seltsame Normalität im Schatten eines industriellen Kathedralbaus, ein Großteil ihres Films aber spielt vor Fukushima. Ein Studie über ein ökonomisches Heilsversprechen, das nicht gehalten werden kann, und den unerschüttlichen Glauben an die Technik.

Lucky Loser

4 / 10
(Foto: dpa)

Peter Trabner spielt einen knuffigen Verlierer-Daddy, der mit seiner fünfzehnjährigen Tochter campen fährt und seine Exfrau zurückhaben will. Spannend wird Nico Sommers Komödie durch die Rolle des Freundes der Tochter, Otto (Elvis Clausen), die viel über die guten Intentionen und die großen Probleme im Umgang mit People of Color in einem Kino zeigt, in dem Weißsein das Normalste auf der Welt ist.

Kedi - von Katzen und Menschen

5 / 10
(Foto: dpa)

Ja, das hier ist ein Katzenfilm, aber weder die Verfilmung eines sentimentalen Katzenkalenders, noch die Langfassung eines pfotigen Youtube-Videos. Die Regisseurin Ceyda Torun porträtiert in dieser großartigen Dokumentation sieben Istanbuler Straßenkatzen und nimmt die unterschiedlichen Tierpersönlichkeiten so ernst, dass man meint, es mit Diven, Lebenskünstlern oder Psychopathen zu tun zu haben. Nebenbei entsteht das berührende Bild einer Metropole, deren Bewohner versuchen, sich Lebensfreude, Mitgefühl und eine Form von menschlicher Urbanität zu erhalten.

Helle Nächte

6 / 10
(Foto: dpa)

Ein stiller, rhythmischer Drei-Generationen-Film, der von Berlin in den Norden Skandinaviens führt. Dorthin reisen der verschlossene Michael (Georg Friedrich) und sein getrennt von ihm lebender Sohn Luis (Tristan Göbel aus "Tschick"), um Michaels Vater zu beerdigen. Thomas Arslans Roadmovie durch Norwegen (Foto: Piffl Film) ist ein Psycho-Trip zum Vatersein und zu der Frage, was man dabei alles falsch machen kann. Die Handlung ist karg, aber Sinnesmenschen mit Geduld erwartet ein bildstarkes Zwei-Personen-Charakterstück und eine vierminütige Fahrt in den Nebel, hin zu einer akustischen Monotonie, die sich David Lynch in Dauerschleife reinziehen würde.

Heartbeats

7 / 10
(Foto: Capelight)

Tanzstudentin aus USA wird von den Eltern zum Abbruch des Studiums gedrängt und nach Mumbai verfrachtet, nur um dort mit den Einheimischen weiterzutanzen. Einen Wettbewerb, eine Liebe, eine Bollywood-Hochzeit später hat Regisseur Duane Adler kein Klischee ausgelassen und viel indischen Reiseprospekt beigefügt, ist aber am Wichtigsten gescheitert: Der Tanz entschädigt nicht für den seichten Rest.

Der dunkle Turm

8 / 10
(Foto: dpa)

Der junge Jake kämpft mit dem Revolversuperheld Roland (Idris Elba) gegen den bösen Zauberer Walter (Matthew McConaughey), der nichts weniger möchte, als das Universum zu zerstören. Nikolaj Arcel hat Stephen Kings achtteilige Fantasy-Buchreihe in ein 90-minütiges Blockbuster-Korsett gepresst. Idris Elba und Matthew McConaughey spielen ihre etwas albern geratenen Rollen mit großer Würde, der skizzenhafte Film wirkt aber zerstückelt und wie der Trailer für ein zukünftiges Franchise.

Dalida

9 / 10
(Foto: N/A)

Achtung, Mogelpackung! Was zunächst wie ein Biopic über die französische Sängerin Dalida aussieht, wäre eigentlich gern ein Musicalfilm geworden. Die Handlung ist nur dazu da, um die Chansons zu illustrieren und thematisch zusammenzuleimen. Auf der Bildspur rauscht ein steter Strom an Liebhabern und Leichen vorbei, auf der Tonspur singt Dalida darüber; hin und wieder konvergieren beide auf der Bühne. Dazwischen wird über den Tod geredet oder l'amour gemacht. Eigentlich ist der Film von Lisa Azuelos eine Oper aus französischen Schlagern. Mit anderen Worten: gruselig, aber interessant wie ein Lebkuchenhaus.

Die Hannas

10 / 10
(Foto: dpa)

Ein Berliner Paar mittleren Alters erlebt die sexuelle Neuerweckung: Mann und Frau haben zufällig gleichzeitig eine Affäre. Ihre neuen Geliebten sind zufällig Schwestern, die beide von einem bösen Kindheitstrauma umgetrieben werden. Julia C. Kaiser konstruiert ein Wechselspiel von alter Beziehung und frischer Liebe, von Leid und Optimismus, dem außer ein bisschen BDSM-Erotik kaum Überraschendes innewohnt.

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