Kino: "Whisky mit Wodka":Duell der Schnapsnasen

Reigen der Eitelkeiten: Ein alternder Womanizer mit Alkoholproblem erlebt in Andreas Dresens Komödie "Whisky mit Wodka" die Gefahr der Ersetzbarkeit.

Rainer Gansera

"Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß ..." Ja, es wird Rilke rezitiert, und das ausgiebig, oder, um es im zudringlich augenzwinkernden Jargon des Films zu sagen: volle Kanne. Also: volle Kanne Rilkes "Herbsttag", jeder Vers, jedes Wort, aufgesagt von Henry Hübchen alias Filmstar Otto Kullberg während einer Hubschrauberfahrt, die Otto ans Bett des sterbenskranken Vaters bringt.

Da kennen Regisseur Andreas Dresen ("Sommer vorm Balkon", "Wolke 9") und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase kein Pardon. Sie halten die Kombination von Rilke plus Hubschrauber wohl für den trefflichen Ausdruck jenes tragikomischen Erzähltons, den sie suchen.

Tango zu dritt im Zwanzigerjahreflair

Es ist der Augenblick in "Whisky mit Wodka", in dem der alternde, vehement trinkfreudige Otto Kullberg sich der Hohlheit seiner Existenz bewusst werden soll, wo seine polternde Jovialität in Herbst-des-Lebens-Melancholie kippt, in ein abgründiges Wer-jetzt-kein-Haus-hat-baut-sich-keines-mehr-Gefühl. Zugleich ist es der Augenblick, in dem die ganze Geschichte definitiv abtrudelt in prätentiöse und müde Witzelei.

Dabei hat sie so hübsch und vielversprechend begonnen: als munteres Ensemble-Stück (Dresens Spezialität) mit immer sehenswerten Darstellern (Corinna Harfouch, Hübchen, Sylvester Groth, Markus Hering), als koketter Reigen der Eitelkeiten und Eifersüchteleien im Ambiente einer Film-Crew, die an der Ostsee, in den Kulissen eines altehrwürdigen Luxushotels, eine Art TV-Kostümfilm mit Zwanzigerjahreflair dreht, betitelt: "Tango zu dritt". Die Rolle, die Otto in "Tango zu dritt" spielt, scheint deckungsgleich mit seiner Lebens-Rolle. Er ist ein frohgemut seinem Alter trotzender Womanizer, der mit den zwischenmenschlichen Beziehungen so lange spielt, bis er alles verspielt hat.

Ein Film-im-Film-Film also, und genregemäß handelt "Whisky mit Wodka" auch davon, wie sich Sein und Schein verfransen, wie hinter Pose und Glamour existentielle Ängste erkennbar werden. Mit der obligatorischen Szene des Genres beginnt es: Da muss am Set eine Aufnahme endlos wiederholt werden, weil Otto, Hauptdarsteller und Star, sein Stichwort (es lautet: "Arschloch") immerzu verschusselt. Irgendwann purzelt Otto schließlich betrunken von der Bettkante.

Otto hat ein Alkoholproblem. Das schien er überwunden zu haben, nun droht der Rückfall. Der Produzent hat die Idee, jede Otto-Szene auch noch mit einem schnell herbei geholten Ersatz-Schauspieler drehen zu lassen. Otto soll sehen, dass er ersetzbar ist, er soll sich zusammenreißen.

Er war Biertrinker. Kein Teetrinker!

So entsteht ein Konkurrenzkampf zwischen dem Hallodri-Lebemann (er trinkt Wodka), der seine Karriere gefährdet sieht, und dem jungen Ersatzmann (er trinkt Whisky), der seine Chance wittert. Ein Kleinkrieg, der sich amüsant anlässt, aber recht schnell in trüben Pointen verpufft. Andreas Dresen hatte immer schon eine gewisse Vorliebe dafür, seine Helden mit einem hemdsärmeligen, verprollten Existentialismus auszustatten. Dieser Vorliebe lässt er hier allzu bedenkenlos Auslauf. Er versäumt es, der Tragik der Otto-Figur Tiefe zu verleihen. Und der Komik, die sich in Schnoddrigkeiten ergeht, fehlt der zündende Witz.

Zum Beispiel die Szene, wenn Otto, nach Hubschrauber und Rilke, am Bett seines todkranken Vaters steht. Da erwartet man nun, nach dem demonstrativ angeschlagenen Ernst der Gewissenserforschung mittels Rilke, eine Konfrontation Ottos mit seiner Vergangenheit, seiner Kindheit, auch mit dem nahe gerückten Tod. Nichts dergleichen.

Der Vater hat Durst und verlangt nach Bier. Otto beschafft das Bier und flößt es dem Vater ein, woraufhin dieser sogleich verstirbt. Der Arzt erklärt, dass der Vater nur hätte Tee trinken dürfen, und auch den nur tropfenweise. Otto antwortet ungerührt: "Er war Biertrinker. Kein Teetrinker!" So erscheint die ganze Krankenhausszene nur wie der schale Vorwand für eine Biertrinker-Sterbehilfe-Pointe.

Gleich zu Beginn des Films baut Dresen zwei Reminiszenzen ein: eine an Woody Allen, die andere an François Truffaut. Die Anfangstitel sind in Woody Allens Lieblings-Schrifttyp gesetzt, und dazu erklingt dann auch der für Woody typische Klarinetten-Jazz. Und der Regisseur des Films-im-Film trägt so ein Lederjäckchen wie Truffaut in "Die amerikanische Nacht". Woody Allen: Meister der Auslotung tragikomischer Spannungen. François Truffaut: Regisseur der spielerisch leichten Hommage ans Filmemachen. Zwei Reminiszenzen, die die Latte der Erwartungen hoch legen. Viel zu hoch.

WHISKY MIT WODKA, D 2009 - Regie: Andreas Dresen. Buch: Wolfgang Kohlhaase. Kamera: Andreas Höfer. Musik: Günther Fischer. Mit: Henry Hübchen, Corinna Harfouch, Sylvester Groth, Markus Hering, Valery Tscheplanowa, Peter Kurth. Senator, 104 Minuten.

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