Kino:Vielen Dank für die Blumen

Lesezeit: 2 min

Das Historiendrama "Tulpenfieber" mit Alicia Vikander und Christoph Waltz.

Von Anke Sterneborg

Es ist, als wären die Gemälde der niederländischen Meister des 17. Jahrhunderts zum Leben erwacht in diesem Film, als könne man in sie eintauchen, sich von der dunstigen Stimmung einhüllen lassen und in den gedämpften Farben baden.

Sophia (Alicia Vikander) ist mit dem Gewürzhändler verheiratet, liebt aber einen Maler. Klingt nicht nur nach Soap, sondern sieht auch so aus. (Foto: Prokino)

Jede Schüssel mit Obst im Historiendrama "Tulpenfieber" ist ein kleines Vanitas-Stillleben, jeder Mensch in schwerem Brokat, gebauschter Seide und steifem Leinen ein Porträt, jeder Blick in die gestaffelten Zimmerfluchten der Patrizierhäuser und auf das wuselnde Leben zwischen den Grachten und auf Marktplätzen eine in Öl gefasste Alltagsszene. Die konzentrierte Eleganz der Kamerabewegungen und der Lichtsetzung von Kameramann Eigil Bryld machen diesen Film zum sinnlichen Rausch.

Leider ist das aber auch schon das Beste, was man über die Verfilmung von Deborah Moggachs 1999 veröffentlichtem Bestsellerroman "Tulpenfieber" sagen kann. Da hilft es auch nichts, dass Hauptdarstellerin Alicia Vikander in ihrem Vermeer-blauen Kleid, dem hochgestecktem Haar, dem Perlenschmuck und der ernsten Miene an "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" erinnert. Der historienerprobte britische Filmemacher Justin Chadwick ("Die Schwester der Königin") verliert die vielfältigen Handlungsfäden seiner Geschichte über der Opulenz seiner schönen Dekors aus den Augen. Zwischen Wirtschaftskrimi und Liebesdrama werden so viele Aspekte angerissen und so wilde Volten geschlagen, dass weder der zu Hilfe gerufene, große Bühnen- und Kinoautor Tom Stoppard, noch das Schauspielerensemble - Judi Dench, Christoph Waltz, Zach Galifianakis - für Orientierung sorgen können.

Stattdessen Tulpen überall: Dekorativ hält die junge Schöne auf dem Porträtgemälde eine gelbrote Blume zwischen ihren Fingern. Malerisch neigt sich eine rot-weiße Blume aus der Vase am Fensterbrett. Aufregend schimmert ein Streifen Rot auf einer der weißen Blüten im Beet des Klostergartens. Die Hintergrundgeschichte dieses Films ist eine irre Tulpenmanie, die ein ganzes Land in die Krise stürzte.

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In den Jahren 1634 bis 1637 war Amsterdam von der Tulpenmanie erfasst. Die fiebrige Begeisterung für die aus dem Osmanischen Reich importierten Blumen mit den charakteristisch kräftigen Farben befeuerte die erste Spekulationsblase der Geschichte und sicherte der Tulpe einen Platz im nationalen Selbstverständnis der Niederlande. Statt in den nüchternen Strukturen der Börse wurden die Tulpen-Anteile in schummrigen Kaschemmen gehandelt, wo eine einzige Tulpenzwiebel auch mal den Gegenwert eines zehnfachen Handwerker-Jahresgehalts oder eines ganzen Hauses erzielte. Einen Moment lang scheint für jeden alles möglich zu sein, doch Anfang 1637 war der Zauber vorbei, die Preise fielen und trieben viele in den Ruin. Aber dieser Wirtschaftskrimi verkommt in "Tulpenfieber" zum Hintergrund für ein kompliziertes Geflecht von Liebesbeziehungen um die junge Waise Sophia (Alicia Vikander). Sie findet in der Ehe mit dem sehr viel älteren Gewürzhändler Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz) zwar wirtschaftliche Sicherheit, aber keine Romantik. Sie verliebt sich in den jungen Maler Jan van Loos (Dane DeHaan), der gerufen wird, um das Paar zu porträtieren. Hinzu kommt auch noch die Küchenmagd Maria, die eine leidenschaftliche Liebe mit dem Fischhändler Willem verbindet. Eine mutierte Tulpe bringt Unruhe in die Konstellationen und Kräfteverhältnisse zwischen den Liebenden und Geliebten, Verrätern und Betrogenen. Doch die kolportagehaften Wendungen, die dabei in Gang gesetzt werden, bleiben unübersichtlich in der ungelenk inszenierten Geschichte, auch wegen der blassen Charaktere. Da muss Christoph Waltz seine Zeugungsversuche penetrant mit militärischen Metaphern umschreiben und schickt allabendlich seinen kleinen, strammstehenden Soldaten an die Liebesfront. Nun ja.

Einem ahnungslosen Gatten wird außerdem das Kind der Magd untergejubelt, während eine Frau ihren Tod simuliert und ein grotesk nachlässiger Bote eine wertvolle Tulpenzwiebel zu Mittag verspeist. Angesichts solchen Irrsinns kann man nur den Kopf schütteln und sich in die behagliche Dunkelheit der niederländischen Gemälde des goldenen Zeitalters fallen lassen.

Tulip Fever , GB/USA 2017 - Regie Justin Chadwick. Buch: Deborah Moggach, Tom Stoppard. Kamera: Eigil Bryld. Mit: Christoph Waltz, Alicia Vikander, Dane DeHaan, Holliday Grainger, Tom Hollander, Judi Dench, Cara Delevingne, Zach Galifianakis. Prokino. 107 Minuten.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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