Kino und Wahlkampf:Die Rückkehr des Machos

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Rocky, Rambo, Terminator, Superman, Hulk Hogan: Die Actionfiguren aus den Achtzigern sind zurück - und extrem erfolgreich. Politikexperten lesen daraus gar ein Stimmungsbild für die Wahl zum amerikanischen Präsidenten.

Jürgen Schmieder

Es wird laut. Es wird blutig. Es wird grausam. So wie ein Rambo-Film eben sein muss. Am Donnerstag kommt die letzte Mission des ballernden Vietnam-Veterans in die Kinos, in der Hauptrolle wie schon vor 25 Jahren: Sylvester Stallone. Insider erwarten einen Erfolg wie bei "Rocky Balboa", der vor einem Jahr anlief. Und das, obwohl man glaubte, Figuren wie auch Darsteller Stallone wären Relikte aus einer Epoche, die längst vorbei ist.

Superman ist zurück - auf der Leinwand und im Leben. (Foto: Foto: dpa)

Stallone erzählt gerne die Anekdote vom Dreh der letzten Szenen für den Rocky-Film. Er sollte nach dem Kampf erschöpft in die Umkleidekabine marschieren, in der Halle gespannte Ruhe herrschen. Soweit der Drehplan. Als Stallone den Ring verließ, gab es Jubelschreie, die ein startendes Flugzeug übertönt hätten. Die Menschen feierten Stallone, sie feierten Rocky, ihren Helden. Die Produzenten filmten die emotionale Szene und schnitten sie in den Film. In "Rambo" wird es keine Jubelszene geben - der Erfolg ist dennoch garantiert. Nur: Warum sind diese Filme erfolgreich?

Verhandlungen mit der Maschinenpistole

Stallones Filme sind nicht nur das Comeback der Filmfiguren Rocky und Rambo. Sie stehen am Beginn der Renaissance eines Typ Mannes, von dem man glaubte, er sei im Zuge der Metrosexualität ausgerottet worden: der Macho. Jener muskelbepackte, stirnbandtragende und nach Schweiß und Blut stinkende Kleiderschrank, für den Diskussionen so überflüssig waren wie eine warme Dusche und der Verhandlungen gewöhnlich mit einer Maschinenpistole führte. Der sich darum kümmerte, dass Dinge erledigt werden, anstatt darüber zu sprechen.

Der erste Rambo-Film kam in die Kinos, als Peter Schilling "Major Tom" sang und Hape Kerkeling die Synchronstimme des Comic-Katers Garfield war. Zu dieser Zeit dominierten die "Men of the Man's Men", wie die Chicago Sun-Times diese Testosteron-Figuren mit Herkules-Schultern und Anabolika-Kinn nannte. Einer davon war Chuck Norris, der in Filmen mit vielsagenden Titeln wie "Missing in Action" und "Lone Wolf McQuade" die Hauptrolle spielte. Und freilich gab es die Superhelden wie Terminator und Superman. Das waren noch beinharte Männer, sie erledigten Feinde mit einem "Hastalavista, Baby!" - sie waren keine Frauenversteher wie die neue Spiderman-Version.

Es waren nicht allein Schauspieler, die das gesellschaftliche Bild des Mannes in den 80ern prägten. US-Präsident Ronald Reagan verfolgte eine Politik der Stärke, die inspiriert war von Anti-Kommunismus (er bezeichnete die Sowjetunion als "Reich des Bösen"). In dieses Bild passten auch Figuren wie der Catcher Hulk Hogan. Der Mann mit dem 70-Zentimeter-Bizeps sorgte mit seiner Krawall-Raufshow für höchste Einschaltquoten, durfte während des ersten Irakkrieges einen fiktiven irakischen Soldaten verprügeln - und wird seitdem vom amerikanischen Publikum verehrt.

Die Sängerin Bonnie Tyler konkretisierte in ihrem Hit "Holding Out for a hero" aus dem Jahr 1983, wie ein Mann sein müsse: "A streetwise hercules, he's gotta be strong and he's gotta be fast and he's gotta be fresh from a fight" - "ein gewiefter Herkules, stark muss er sein und schnell muss er sein und frisch aus einer Prügelei".

Dann kamen die Neunziger und mit ihnen nicht nur bunte Klamotten und die Sportschau im Privatfernsehen, sondern auch ein neuer Typ Mann: Fußballer David Beckham, Schauspieler Tom Cruise und Musiker Kurt Cobain waren die Ikonen. Schlanke Männer mit weiblichen Attributen und gelegentlichen Selbstzweifeln - auch das Weinen war plötzlich en vogue. Eine schlimme Zeit für harte Kerle.

Zwei Worte

Nun feiern die Actionfiguren aus den Achtzigern phänomenale Comebacks - und das, obwohl in den Charts ein Mann besungen wird, dessen Leben ein Chaos ist ("Ich&Ich"). Hulk Hogan ist der Star der neuen TV-Serie "American Gladiators", die beim Sender Fox läuft. Rocky und Rambo sind zurück auf der Leinwand, es gibt einen neuen Superman-Film, auch der Terminator ist wieder da: in der Serie "Terminator: The Sarah Chronicles" - wobei Arnold Schwarzenegger, Hauptdarsteller der Kinofilme, derzeit freilich mit anderen Dingen im Bundesstaat Kalifornien beschäftigt ist.

Und Chuck Norris? Der gibt den Sidekick in der Präsidentschafts-Kampagne des Republikaners Mike Huckabee. Er sagte auf die Frage, wie er Amerikas Grenzen zu schützen gedenke: "Zwei Worte: Chuck Norris!" Im Fernsehen übernimmt die Rolle des Grenzschützers Jack Bauer in der Fernsehsendung "24". Darsteller Kiefer Sutherland spielte eine ähnliche Rolle, 1989 im Film "Renegades".

Es wäre ein Fehler, diese Comebacks mit dem Begriff 80er-Jahre-Nostalgie abzutun. Es geht nicht um billig produzierte Shows, in denen abgehalfterte Ehemalige auftreten, um noch ein wenig Sendezeit und einen Eintrag in die Internet Movie Database (IMDB) zu bekommen. Die Auftritte der alternden Haudraufundschluss-Typen sind erfolgreich: "Rocky Balboa" war ein Kassenschlager, "Rambo" ist auf dem Weg dazu. Hulk Hogans Serie läuft prächtig, Sender Fox verspricht sich vom TV-Terminator einen Top-Ten-Hit für die Prime Time.

Der Macho ist zurück - die New York Times leitet daraus gar ein politisches Stimmungsbild ab. Die Menschen würden sich eine Veränderung zu George W. Bush wünschen - jedoch nicht unbedingt zu den Demokraten Obama und Clinton, sondern zu einem Republikaner vom Schlage eines Ronald Reagan. Norris macht Werbung für Huckabee, Schwarzenegger unterstützt McCain. Auch Sylvester Stallone, der viele Jahre lang die Demokraten unterstützte, hat sich auf die Seite von McCain geschlagen.

Die Machos rufen einen Mann wie Ronald Reagan herbei. Nur ist keiner der noch verbliebenen republikanischen Kandidaten ein würdiger Erbe. McCain gilt als liberal, Huckabee fehlt es an Charisma und klarer Linie.

Den Terminator kann ein anderer Schauspieler als Arnold Schwarzenegger geben, Ronald Reagan konnte nur von Ronald Reagan gespielt werden. Darum wird es die Rückkehr des Testosterons vorerst nur auf der Leinwand und in Wrestling-Shows geben. Es sei denn, Sylvester Stallone steigt noch ins Rennen um die Präsidentschafts-Kandidatur ein.

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