Kino: "Spy Game":Clou im Kalten Krieg

"Spy Game" - in seinem neuen Thriller experimentiert Tony Scott mit der "chemistry" zwischen Robert Redford und Brad Pitt

FRITZ GÖTTLER

Für ein Spiel ist es ziemlich brutal, was hier passiert, und mit Spionen, im klassischen, im Sechzigerjahre-Sinn, hat es auch nicht unbedingt zu tun. Innerhalb kurzer Zeit hat das Genre seine Spannung, seinen Charme, seine Selbstsicherheit verloren. Was durchaus, auf einer subversiven zweiten Ebene, auch das Thema dieses Films sein könnte.

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(Foto: SZ v. 14.03.2002)

Ich bin old school, sagt Nathan Muir, der mit altmodischem Tweed und Schildpattbrille diesen Eindruck augenscheinlich machen will. Aber es ist Robert Redford, der diesen Mr. Muir spielt, und er kommt natürlich nicht gerade wie ein Geist daher. Sein letzter Tag ist angebrochen, der Dienstschluss für den coolen CIA-Veteranen, der wie kein anderer den alten Esprit verkörpert, den des sogenannten Kalten Krieges. Der letzte Tag für Nathan, und der Tag eines letzten Gefechts. Eine Operation muss Nathan noch durchdrücken, einen "finalen Countdown", gegen seine Bosse und ihre jungen Assistenten, und er muss sie mit ihren eigenen Waffen schlagen, Computer und Internet. Durch die Jalousien zwischen den Abteilungen fallen verstohlene Blicke, und in Nathans Augen blitzt manchmal ein letztes Quentchen Schalk auf. Einen Vorsprung gewinnt er, weil er in der bewährten Kunst des Bluffens ausgebildet worden ist.

Man mag an einen anderen Nathan zurückdenken, wenn man Redford so brillieren sieht, den Hauptmann Nathan Brittles in John Fords Western "She Wore a Yellow Ribbon", Anfang der Fünfziger - da ging es um die Ablösung in einem Kavalleriefort im Monument Valley, an der Grenze zum Indianerland, und um den Übergang von einer Generation zur nächsten. Und auch da gab es einen Wettlauf mit der Zeit, den Nathan Brittles, der Teufelshauptmann John Wayne, durch eine Stampede am Ende gewinnen konnte.

Die Stampede am Ende des "Spy Game" liefert ein Schwarm US- Hubschrauber, die einen jungen Mann in Sicherheit bringen - ihr Flug wirkt wie eine Art Gruß des Regisseurs Tony Scott an den Bruder Ridley, dessen "Black Hawk Down" das düstere Gegenbild liefert. Brad Pitt ist der Junge, der da gerettet wird, der Kollege Tom Bishop, womit Nathan Muir sich den ganzen Tag beschäftigt hat. Tom saß in einem chinesischen Gefängnis, er machte Verhöre und Folter durch und wartete auf die Hinrichtung - und keiner wollte einen Finger für ihn rühren, weil eben ein wichtiger Handelsvertrag unter Dach und Fach gebracht werden soll mit den Chinesen. Geld, raunzt Redford verächtlich, heute geht es immer nur um Geld.

Ohne zu klagen aber hat Nathan Muir das schmutzige Geschäft seiner Agentur erledigt in Vietnam, Ostberlin, Beirut, und ohne die Regeln zu hinterfragen, nach denen er funktionierte - ein ungewöhnlicher Job für den liberalen Redford. Für die Skrupel sorgte Brad Pitt - die Kids bringen die Moral also wieder ins Spiel, und es ist eine eigene Art der Trance, der Traumverlorenheit, die sie dabei gewinnen. Wie Nathan und Tom Partner werden und Freunde, welche Funktion der Verrat spielt und das Doppelspiel, das hätte eine Geschichte ergeben können in bester Tony-Scott-Tradition. Man weiß, was der mit dem jungen Tom Cruise gemacht hat, und man mag sich an "True Romance" erinnern, den er inszenierte nach einem Script von Tarantino - an das durchaus ähnliche Spiel, das in diesem Film ablief zwischen Christopher Walken und Dennis Hopper, nach blutigen, nach Mafiaregeln.

Über den Dächern von Berlin versuchen auch Nathan und Bishop sich an einer Aussprache, die Kamera umkreist sie und ihre Unruhe schafft im fahlen Licht über der Stadt eine Atmosphäre der Unwirklichkeit, jenen Siebzigerjahre- Surrealismus, der die beiden Freunde sich fremd bleiben lässt. Ihre Kommunikation funktioniert am besten auf Distanz.

Dass Tony Scott nach dem perfekten "Enemy of the State" nun diesen konfusen, in sich vielfach gebrochenen Spionagefilm vorlegt, muss auf den ersten Blick irritieren - aber es ist die Defizienz des Genres und des Metiers, das er beschreibt. Als wäre, für Redford, die Zeit stehen geblieben, wenn er in "Three Days of the Condor" mit dem Verrat seiner CIA-Kollegen konfrontiert wird. Die CIA wirkt in "Spy Game" wie das Sammelbecken, in dem die lone wolves der verlorenen Zeit einen Unterschlupf finden, eine Aufgabe gar. Da dienen sie dann neben den HipHop-Bürokraten, und müssen zusehen, wie das alte Spiel seinen Sinn und seine Sinnlichkeit verliert. Ihre Träume sind geplatzt - verräterisches Signal! - wie ein kleiner Bubblegum, der im Mund zerkaut und hin- und hergeschoben wird.

SPY GAME, USA 2002 - Regie: Tony Scott. Buch: Michael Frost Beckner, David Arata. Kamera: Dan Mindel. Schnitt: Christian Wagner. Musik: Harry Gregson-Williams. Mit Robert Redford, Brad Pitt, Catherine McCormack, Stephen Dillane, Larry Bryggman, Marianne Jean-Baptiste, David Hemmings, Charlotte Rampling. UIP, 115 Minuten.

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