Kino:Sieg für das Müllmädchen

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Das 30. Dokfest München endet mit einem Besucherrekord

Von Bernhard Blöchl, München

Große Momente gab es viele bei diesem großen Festival, das an zehn Tagen knapp 35 000 Besucher in die Kinos der Stadt lockte und dem Dokfest-Team den erwarteten Rekord zum 30. Geburtstag bescherte. Gleich zum Auftakt im Deutschen Theater bejubelten 1200 Gäste den Eröffnungsfilm, die dänische Lovestory "The Circus Dynasty"; Cineasten berauschten sich im Literaturhaus an der unendlichen Filmliebe des Kritikers Michael Althen; besonders ergreifend wurde es bei den Premieren von "Zeichnen gegen das Vergessen", einer Hommage an den Künstler Manfred Bockelmann, der an Auschwitz-Kinder erinnert, indem er sie zeichnet, sowie "Corinnes Geheimnis", der mutigen Coming-of-Age-Studie über ein Mädchen und ihr Leben mit dem HI-Virus.

Die Stoffe der gezeigten 140 Dokumentarfilme waren so vielfältig wie das Leben, wenngleich sie eines gemein hatten: das Rohe, das Ungestellte, das Echtheitszertifikat, wenn man so möchte. Und womöglich liegt genau darin der Schlüssel zum Erfolg dieses wichtigen Münchner Festivals, dessen Geschichte vor 30 Jahren mit 22 Filmen in zwei Kinos begann. "Unsere Medien- und Möglichkeitsgesellschaft steckt in einer tiefen und umfassenden Glaubwürdigkeitskrise", glaubt der Leiter Daniel Sponsel, der bereits vor dem Festival die steile These formulierte: "Allein dem Dokumentarfilm bleibt es vorenthalten, uns emotional zu verorten, und der verschreckten Wirklichkeit hin und wieder ein menschliches Gesicht zu geben."

Ob das ausschließlich dem Dokumentarfilm gelingen kann, die Frage sei einmal dahingestellt. Die Gewinnerfilme der drei Wettbewerbsreihen bestätigen jedoch den Anspruch des Genres, die Gefühlslagen unterschiedlicher Menschen zu erforschen und unverfälscht zu zeigen. In Hanna Polaks "Something Better To Come" (Gewinner "Dok.international") geht es um die Träume des Mädchens Yula, das auf Europas größter Müllhalde bei Moskau lebt. Simon Brückner zeichnet in "Aus dem Abseits" ("Dok.deutsch") ein intensives und sehr persönliches Vater-Sohn-Porträt, und "Ce qu'il reste de la folie" ("Dok.horizonte") führt den Zuschauer in ein psychiatrisches Krankenhaus am Rande von Dakar. Der neue "Kino Kino Publikumspreis" ging an Marcel Gisler und sein Porträt "Electroboy". Der israelische Filmemacher Avi Mograbi, dem die Retrospektive gewidmet war, musste seinen Besuch leider absagen: "aus gesundheitlichen Gründen", wie es hieß. Daniel Sponsel zieht indes ein sehr positives Fazit: "Die Resonanz des Publikums ist überwältigend und macht Lust auf mehr."

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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