Kino:Showdown an der Tankstelle

Der Actionthriller "Criminal Squad" ist starkes Gangsterkino und regt die Zuschauer zum Nachdenken an.

Von Doris Kuhn

Es scheitert immer an den kleinen Dingen. An dem, was man nie vorhersehen kann, egal wie sorgfältig man plant. Wenn zum Beispiel bei einem Überfall auf einen Geldtransport der Fahrer nicht aussteigen will. Oder wenn seinem Begleiter die Hand zuckt, weil er vor Angst seinen Kaffee verschüttet. Dann kann eine Situation, die eigentlich leicht überschaubar wäre, plötzlich mit mehreren zerstörten Autos und sechs Toten enden. So geschieht es im Actionthriller "Criminal Squad", abends an einer Tankstelle, an der eine Truppe Gangster einen Geldtransporter abgreifen will, aber stattdessen eine Schießerei auslöst.

Aber trotz der Panne wird klar: Die Gangster sind effizient. Sie haben einen IT-Mann, der Verkehr und Verfolger elektronisch überwacht, eine straffe Hierarchie und mehr Verstand als die lokale Polizei. Diese Top-Organisation haben sie ihrem Chef zu verdanken: Ray Merrimen (Pablo Schreiber), gerade aus dem Gefängnis entlassen. Aber Merrimen ist nicht glücklich. "Wir sind jetzt Copkiller", kommentiert er die Lage, und jeder seiner Leute weiß, dass ihre Zukunft gefährlicher geworden ist.

Kino: Polizist Big Nick (Gerard Butler) beim Schießtraining.

Polizist Big Nick (Gerard Butler) beim Schießtraining.

(Foto: Concorde)

Das Massaker an der Tankstelle ruft den Kommissar "Big Nick" (Gerard Butler) und seine Kollegen vom Los Angeles County Sheriff's Department auf den Plan. Sie sind den Gangstern erstaunlich ähnlich. Nick ist großflächig tätowiert, hat Ringe an jedem Finger und lässt das herbeigeeilte FBI an seiner Rocker-Attitüde abblitzen, als stünden alle auf dem Schulhof. Big Nick will nicht bloß Gangster jagen, er will selber ein Gangster sein, möglichst noch böser als jeder Kriminelle in der Stadt.

Von da an hat der Film zwei Ebenen. Big Nick und seine Sheriffs sind an Merrimen dran, wissen aber nicht, was er vorhat, deshalb setzen sie ihm einen Spitzel ins Nest. Merrimen wiederum führt seine Bande Schritt für Schritt durch ihr nächstes Projekt, einen Überfall auf die Federal Reserve Bank in Los Angeles. Im Grunde ein unmöglicher Coup, aber mit einem Geldtransporter und einem klugen Plan ja vielleicht doch ein erreichbares Ziel. Der kalifornische Regisseur Christian Gudegast zeigt in seinem Regiedebüt die Professionalität seiner Protagonisten, aber noch lieber demonstriert er ihre Hybris. Oft wird direkt von einer Partei zur anderen geschnitten, als stünden sie im Dialog. Was inhaltlich passt, denn Big Nick hat große Sehnsucht danach, Merrimen persönlich kennenzulernen. Er sucht immer wieder dessen Nähe, er stellt ihm nach bis ins Bett seiner Freundin. Big Nick will sich zeigen, um als Gegner ernstgenommen zu werden, und das hebt den Film über eine einfache Räubergeschichte hinaus. Es geht nicht nur um einen Banküberfall, es geht um einen Wettbewerb in Gudegasts Thriller.

Er setzt Cops und Gangster auf die gleiche Stufe und gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, beide Seiten sympathisch zu finden. Er zeigt auch kleine, kritische Anspielungen auf den amerikanischen Alltag, indem er den Zynismus im Umgang mit Kriegsveteranen oder Bürgerrechten einbaut. Christian Gudegast hat bisher Drehbücher für actionlastige Genrestücke wie "London Has Fallen" geschrieben, vielleicht hat er dabei gelernt, dass es nicht reicht, wenn bloß ständig Hubschrauber explodieren. Es wirkt ganz so, als wolle er bei seiner ersten Regiearbeit den Unterhaltungswert steigern, indem er stattdessen Milieus und Charaktere in den Mittelpunkt stellt. Dafür hat er sich Michael Manns Gangster-Klassiker "Heat" zum Vorbild genommen und einen Kameramann engagiert, der extrem dynamisch arbeitet: Bei den Aufnahmen von Terry Stacey kriegt man kaum Luft, so rasant sind sie inszeniert. Und der Regisseur holt ausgerechnet aus dem Actionveteran Gerard Butler, der bislang nicht gerade als Charakterdarsteller bekannt war, ein Mienenspiel heraus, das die Eitelkeit von Big Nick gut auf den Punkt bringt. Man kann dem Film das ein oder andere vorwerfen, er trägt dick auf, es finden sich auch ein paar Löcher in der Geschichte, sobald man im Anschluss über den Coup nachdenkt. Aber sogar das spricht für "Criminal Squad": Über welchen Actionknaller hat man zuletzt noch mal nachgedacht, nachdem man aus dem Kino gekommen ist?

Criminal Squad, USA 2018 - Regie & Buch: Christian Gudegast. Mit Gerard Butler, Pablo Schreiber, O'Shea Jackson Jr., Curtis '50 Cent' Jackson. Concorde, 140 Minuten.

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