Kino:Schweres Gepäck

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Er wurde ihretwegen aus Liebe Jude und hat sie dennoch immer betrogen: Eva Hesse mit ihrem Mann, dem Bildhauer Tom Doyle. (Foto: Barbara Brown)

Die achten Jüdischen Filmtage beginnen mit einem Thriller. Sieben Werke befassen sich mit besonderen Lebenswirklichkeiten

Von Eva-Elisabeth Fischer

Auch diesmal, bei den achten Jüdischen Filmtagen des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde in München, gibt es kein Motto, keinen roten Faden im Programm, keine Konzentration auf ein bestimmtes Genre. Was alle sieben Filme eint, ist, dass sie auf sehr unterschiedliche Weise ein Stück jüdischer Lebensrealität einst und jetzt in den Fokus rücken.

Besonders delikat gerät dies beim Eröffnungsfilm "Ziarno Prawdy" (Ein Körnchen Wahrheit) von Boris Lankosz (19. Januar, 19 Uhr). Im Thriller nach dem gleichnamigen Roman von Zygmunt Miloszewski führt die Spur den Warschauer Kriminalkommissar Teodor Szacki in die irrationale Welt antijüdischer Mythen. Denn in der Kleinstadt, wohin es ihn nach seiner Scheidung verschlägt, hat er einen vermeintlichen Ritualmord aufzuklären. Weil die Opfer geschächtet wurden, gräbt die hysterisierte Stadtgemeinschaft die alte Mär vom Juden, der mit dem Blut ermordeter Kinder seine Mazzes backt, wieder aus.

Polnischer Antisemitismus ist erwachsen aus katholischem Antijudaismus. Lankosz, der nach der Vorstellung mit dem Historiker Jürgen Zarusky spricht, scheut sich nicht zu zeigen, dass man kalte Eisen ganz schnell neu erhitzen kann, wenn die Umstände danach sind. Aktuell propagieren die Nationalisten der PIS-Partei das Bild des heldenhaften, erzkatholischen Polen, zu dem dieser 2015 gedrehte Film so gar nicht passt. Einem Thriller entsprechen auch Eric Fiedlers Recherchen zu seiner Dokumentation "Der Clown". Im Zentrum steht die 1972 gedrehte und damit allererste Holocaust-Komödie "The Day The Clown Cried" von Jerry Lewis und ihr seltsames Verschwinden (22. Januar, 18 Uhr). Spannend.

Was passt und was nicht, demonstrieren die Geschwister Emanuel und Nurith Cohn in ihrem aberwitzig komischen Kurzspielfilm "Hadiktator Hakatan" (Der kleine Diktator, 1. Februar, 19 Uhr). Der Geschichtsprofessor Yossi Kleinmann doziert über Diktatoren und verwandelt sich wegen der unvollendeten Gesichtsrasur am Schabbath zumindest äußerlich scheinbar selbst in einen: Unter seiner Nase bleibt nurmehr ein winziges Bärtchen. Yossis Oma, deren 90. Geburtstag man feiert, sieht das ganz anders als befürchtet. Und der ewige Untam ermannt sich endlich und wird von nun an gehört.

Eine Frau kann sich nicht erfrauen, höchstens behaupten. Die Malerin und Bildhauerin Eva Hesse, die 1970 mit nur 34 Jahren an einem Gehirntumor starb, war die Frau unter lauter Jungs. Das war damals in den Sechzigerjahren, als die außergewöhnliche Künstlerin am Ende doch noch ihren Durchbruch hatte.

Marcie Begleiter ist mit "Eva Hesse" (15. Februar, 19.30 Uhr) ein wunderbarer Dokumentarfilm gelungen, indem sie mithilfe von Freunden und Evas älterer Schwester Helen die spezifische enge Verbindung von Kunst und Leben aufdröselt und dabei Hesses spezielle, sehr weibliche, weil emotional und sexuell aufgeladene Variante des Minimalismus analysiert. "Kunst hat kein Geschlecht", hat Eva Hesse einmal gesagt. Breiten Raum nimmt Evas ängstlich unternommene Reise in das Land ein, das die jüdische Familie Hesse auf den letzten Drücker über Holland 1939 in die Emigration in die USA entließ. Die späte, große Retrospektive ihres Werks 2013 in ihrer Geburtsstadt Hamburg hat Eva Hesse nicht mehr erlebt.

8. Jüdische Filmtage , Donnerstag, 19. Januar, bis Mittwoch, 22. Februar, Programm unter www.ikg-m.de, Karten: karten@ikg-m.de

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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