Kino:Schwarzes Leben zählt

Die "Purge"-Horrorfilmreihe entdeckt Rasse und Politik, kann aber doch nicht verschleiern, dass "First Purge" der vierte Aufguss der Serie ist.

Von Jonas Lages

Vielleicht muss man einfach mal mit dem Ende beginnen. Im Abspann von "The First Purge" läuft die Hymne der "Black Lives Matter"-Bewegung, "Alright" von Kendrick Lamar. Das ist für den vierten Teil einer kommerziell erfolgreichen, künstlerisch aber unterernährten Horrorthriller-Reihe, nun ja, erstaunlich. Zumal die Geschichte nur ein Wiedergänger aus der Franchise-Hölle ist.

Die Prämisse der dystopischen "Purge"-Reihe besteht darin, dass die US-Regierung zwecks Frustbewältigung ihrer Bürger einmal jährlich für zwölf Stunden sämtliche Straftaten legalisiert und Polizei, Feuerwehr und Notärzte in den Zwangsurlaub schickt. Diesmal geht es um die allererste "Säuberung".

Frisch im Amt startet die von der Waffenlobby unterstützte Regierung der "New Founding Fathers of America" ihr Experiment der kollektiven Triebabfuhr. Es bleibt zum Start auf Staten Island, New Yorks einzigen Stadtteil mit einer nichtweißer Mehrheit, beschränkt. Wer auf der Insel bleibt, erhält 5 000 Dollar und ein Peilsender-Implantat. Wer marodiert und mordet, erhält Bonuszahlungen. Die politische Aktivistin Nya versucht, die Menschen von der Teilnahme abzuhalten. Ihr Ex-Freund, der Drogendealer und G-Klassen-Fahrer Dmitri, will mit seiner Gang auch abstinent bleiben. Als die Bewohner bei ihrer Triebabfuhr jedoch mehr Eros als Thanatos folgen - es gibt eine ausgelassene Blockparty -, schickt die Regierung Söldner in Ku-Klux-Klan-Kutten, um die Bevölkerung auszulöschen. Und so greifen Dmitri und seine Kollegen zu den Waffen.

Film First Purge

Skeletor (Rotimi Paul) nutzt seine Lizenz zum Töten.

(Foto: Universal)

Der Regisseur Gerard McMurray, der in seinem Debüt "Burning Sands" die Machtmechanismen einer schwarzen Studentenverbindung analysierte, hebt hier die geballte Faust gegen institutionelle Rassismen. Die klassische Home-Invasion-Geschichte wird in die Ödnis der Sozialbausiedlungen verlegt und dabei die Topografie der TV-Serie "The Wire" - die Türme, die Straßenecke, die Grube - zitiert. Der Invasor ist hier jedoch kein maskiert schlitzender Einzeltäter, sondern die US-Regierung, die Minderheiten morden will. Gegen sie wird der Gemeinschaftssinn beschworen und aktuelles Bildmaterial zitiert: Schläger tragen Polizeiuniformen, vermummte Fackelträger erinnern an die Aufmärsche in Charlottesville, die Erschießung einer Glaubensgemeinde an das Kirchenmassaker von Charleston.

Die Feindbilder allerdings bleiben unterentwickelt, die Charaktere nur Scharniere im Drehbuch und die Entwicklungen vorhersagbar. So wird man daran erinnert, dass man ja immer noch ein Produkt der filmischen Wiederkunft des Gleichen sieht, aus dem pathologischen Wiederholungszwang der Franchise-Dynastien.

Und so entsteht bei dieser Bricolage eine wundersame Diskrepanz zwischen der Harmlosigkeit eines konventionelle Genrefilms und dem scharfen soziopolitischen Bewusstsein, das sich hier eingeschlichen hat. Es weiß sich nicht so recht zu artikulieren, sorgt aber immerhin für eine kämpferische Grundhaltung

The First Purge, USA 2018 - Regie: Gerard McMurray. Buch: James DeMonaco. Kamera: A. Michos. Mit: Y'lan Noel, Lex Scott Davis. Universal, 98 Min.

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