Kino: Neues von Steven Sonderbergh:Der Sonne entgegen

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König der Workaholics: Fünf neue Filme von Steven Soderbergh

SUSAN VAHABZADEH

(SZ vom 11.04.2002) Hollywood hat Steven Soderbergh jarhrelang sehr stiefmütterlich behandelt - und wenn man sich anschaut, was der Mann momentan so alles treibt, könnte man auf die Idee kommen, dass er die derzeitige Umarmung nicht mit einem dauerhaften Liebesverhältnis verwechselt. Das Soderbergh-Jahr 2001 - ein Oscar für "Erin Brockovich", eine zweite Nominierung für "Traffic" und ein Box-office-Hit mit "Ocean's Eleven" - wäre eigentlich schwer zu überbieten; aber Soderbergh ist offensichtlich wild entschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen. Am 29. April sollen die Dreharbeiten zu "Solaris" mit George Clooney beginnen, einer Bearbeitung des Romans von Stanislaw Lem, den schon Andrej Tarkowski verfilmt hat.Man kann daraus schließen, dass "Full Frontal" weitgehend fertig sein müsste - das ist der Film, den Soderbergh zwischendurch gedreht hat, "eine zeitgemäße Komödie und das unautorisierte Sequel zu ,Sex, Lies and Videotape'"; diese Autorisierung hat er sich wohl selbst verweigert.

Selbst in die Filmkunst geraten - Steven Soderbergh hier als Figur aus dem Animationsfilm "Waking Life" von Richard Linklater. (Foto: N/A)

"Full Frontal", mit Julia Roberts, Blair Underwood und Catherine Keener, hat definitiv Potential als Vorsorge für die Zukunft - in achtzehn Tagen abgedreht, zum Teil auf DV, die Schauspieler mussten für ihre eigene Garderobe sorgen: "Wer gewöhnt ist, mit wenig auszukommen, kann auch mit viel klarkommen; wer viel gewöhnt ist, kriegt Schwierigkeiten, wenn er nichts mehr hat", sagt Soderbergh auf der Website fullfrontal.com, wo er sich ausführlich auslässt über die Vorteile von Digital-Produktionen - und die von jedem Verleih gelösten Vertriebsmöglichkeiten. Die Website entspricht dem Soderberghschen Spieltrieb - man kann den Regisseur als Puzzle zusammensetzen. Für den ernsten Teil des Spiels, den Dreh, hat er Regeln aufgestellt - wer nicht selber fahren will, wird abgeholt, muss aber damit rechnen, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden; Improvisation wird ermutigt; und Interviews, die er mit den Schauspielern führt, könnten auf der Leinwand enden.

"Full Frontal" soll im August in den USA anlaufen, "Solaris" im Dezember. Die Kriterien für eine Oscar-Doppelnominierung 2003 wären also erfüllt. Die Frage ist, ob Soderbergh Zeit für die Verleihzeremonie hätte: Für 2003 ist "The Informant" angekündigt, ein Projekt über einen Preisabsprachenskandal, den das FBI aufdeckt; Variety zufolge plant er eine Che-Guevara-Biographie mit Benicio del Toro; und jetzt hat Universal für ihn die Rechte an einem namenlosen Drehbuch von Tony Gilroy ("Proof of Life") erworben. Außerdem gibt es noch ein halbes Dutzend Projekte, die er produziert; Zyniker unter den Journalisten werden schon mal Stoff für einen Nachruf sammeln. Man weiß ja nie, wie lange sowas gut geht.

Es ist naheliegend, dass das Verhältnis zu diesen Filmen nicht dasselbe sein kann wie zu einem Projekt, mit dem man Jahre zugebracht hat. Auf der Website zu "Full Frontal" findet sich auch ein Interview mit dem director type guy Soderbergh - und da bemüht der sich redlich, der sich anbahnenden Kritik vorab entgegenzutreten. "Es gibt Dinge in diesem Film, mit denen ich mich identifizieren kann, aber es ist kein Film über mich. Ich wollte nicht, dass es ein Film über mich wird. In diesem Sinne ist ,Full Frontal' ein nicht offenkundig persönlicher Film, und ich denke, dass die Vorstellung davon, was einen Film persönlich macht, völlig verzerrt ist. Ich denke, Leute, die über Film schreiben, wissen meist nicht, was ,persönlich' bedeutet, und es wird zuviel Wert darauf gelegt auf die Vorstellung, etwas Persönliches sei legitimer als etwas weniger Persönliches. Als Filmemacher kann ich dem nur widersprechen." Dahinter steckt auch die Sehnsucht, sehr unterschiedliche Filme zu machen - Richard Lester gibt er da als Vorbild an, den weiten Weg vom Beatles-Film "A Hard Day's Night" zu "Petulia". Bei Soderbergh sind einige Jahre lang Vater-Tochter-Verhältnisse zur Marotte geworden - ist vielleicht in Ordnung, wenn zu dem Thema nicht gleich noch fünf Variationen kommen. "Ich denke, meine Filme sind besser geworden, seit ich mit der Nabelschau aufgehört habe. Ich weiß, dass sie mehr Spaß machen."

Das ist sicher richtig, klingt aber - bei allem Verständnis dafür, dass es leichter ist, eine Fotografie als Puzzle freizugeben als die eigene Seele - auch ein bisschen gefährlich. Auf jeden Fall ist es klassisches Hollywood - sozusagen der Gegenentwurf zu dem Guerilla filmmaking, das Soderbergh jahrelang betrieben hat, die One-Man-Band, die Filme machte wie "Gray's Anatomy" und "Schizopolis". Eine Mischung aus beidem könnte das größte Ding werden, das Hollywood je erlebt hat.

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