Kino:Luzifers Lichtgärtner

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Drogentrips und starke Frauen: Die teuflisch wilde Karriere des Münchner Filmemachers Olaf Kraemer

Von Bernhard Blöchl

Er hat in Berlin vor den Ramones gespielt und in Hollywood in einem Schrank gehaust. Er hat Erfahrung mit Schamanen und Halluzinogenen, und Uschi Obermaier, die kennt er in- und auswendig. Jetzt sitzt Olaf Kraemer im Schelling-Salon und trinkt Cola.

So sitzt er da, im Nick-Cave-Shirt und auch sonst sehr locker, um über seinen Film zu reden, der an diesem Donnerstag in den Kinos anläuft. Der Film heißt "5 Frauen" und ist ein experimentelles Ensemble-Drama. Plaudert man mit Kraemer über sein spätes Regiedebüt, so landet man flugs bei den Themen seines tollkühnen Lebens. Da geht es um Drogen, Sex und Beziehungsformen. Und um Frauen, immer wieder geht es um Frauen.

"Tja, das wenn ich wüsste", sagt er auf die Frage aller Fragen. Die Frage, warum er sich in seinen Werken als Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmemacher so intensiv mit der weiblichen Psyche auseinandersetzt. Olaf Kraemer, ein Kind der Sechzigerjahre, hat die Bestseller-Biografie "High Times" (2007) über das wilde Leben der Uschi Obermaier geschrieben, er hat - ebenfalls nach langer Recherche - einen Skandalroman über die letzten Stunden der Romy Schneider verfasst ("Ende einer Nacht", 2008), und in "5 Frauen" stehen die Protagonistinnen für die Facetten der Weiblichkeit. Die Männer sind wahlweise Statisten oder Projektionsfläche. Dieser Film dreht sich sowohl um die weibliche Opferrolle wie auch die des Täters, vor allem aber um die düsteren Seiten der Persönlichkeit, um Schuld und Erlösung.

Die Dunkelkammern des Lebens könnten seiner Meinung nach viel öfter beleuchtet werden. Frauen seien, davon ist er überzeugt, die Gewinnerinnen der Evolution, gleichwohl beobachte er einen Rückfall in die Fünfzigerjahre. "Wo bleibt die wilde Seite?", fordert er und kommt auf die Ursprungsfrage zurück: "Mit Frauen rede ich einfach mehr", sagt Kraemer. Etwas nachdenklicher und distanzierter fügt er hinzu: "Vielleicht versucht man unbewusst zu ergründen, was das eigentlich ist mit den Frauen?"

Olaf Kraemers Biografie verrät noch etwas mehr. Unter Frauen sei er aufgewachsen, erzählt er, in den Sechzigerjahren in seiner Geburtsstadt Cuxhaven. "Die männliche Seite meiner Familie ist zur See gefahren." Olaf verbrachte viel Zeit mit seinen Schwestern, mit Mutter und Großmutter. Die Faszination für das andere Geschlecht hielt bis heute an: "Ich habe so viel bekommen von Frauen in Beziehungen." Von der bekannten Fotografin Hadley Hudson zum Beispiel, mit der er einen Sohn hat, und von seiner derzeitigen Partnerin, der Redakteurin Conny Schwarz, die ebenfalls einen Sohn in die Beziehung einbrachte. Seine Liebste habe Psychologie studiert und hinterfrage seine Stoffe perspektivisch, sagt Kraemer. Sie leben zusammen in München.

München, noch so ein Thema. Olaf Kraemer, Jahrgang 1959, ist hier seit bald 20 Jahren zu Hause. "München war immer gut zu mir", sagt der Weltenbummler mit dem Underground-Abo. Und lässt sich zu einem Vergleich mit Los Angeles hinreißen, wo er die vielleicht aufregendste Zeit seines Lebens verbrachte, damals in den Achtziger- und Neunzigerjahren. "Hier wie da kann man abgleiten an der Oberfläche." Hier wie da seien Film und Musik große Dinge. Ende der Neunzigerjahre habe er sich nach Überschaubarkeit gesehnt, und weil er nicht zurück nach Berlin wollte, kam er nach München, wo Freunde von ihm wohnten. Seine Jugend hatte er in Göttingen und Berlin verbracht, wo seinerzeit die Musik in sein Leben krachte. Olaf Kraemer hat Ethnologie und Publizistik studiert, arbeitete als Kulturjournalist und Übersetzer. Aber seine Band, Die Goldenen Vampire, die war sein persönlicher Hit. Jene Garagenband, für die er textete und sang, hat auf dem legendären Zensor-Label veröffentlicht. Im Tempodrom eröffnete sie 1985 die Show der Punkhelden Ramones. Das war der Höhepunkt. Während einer selbst organisierten US-Tour dann der Knackpunkt in seinem Leben. Kraemer war Mitte zwanzig, konnte recht gut schreiben und fragte sich in Los Angeles: "Warum sollte ich zurückgehen?" Er verkaufte seine Sachen in Berlin und gab auch die Musik auf. Als Korrespondent, Autor und Übersetzer wollte er sich durchschlagen. "Nach einem halben Jahr wurde meine Kreditkarte zerschnitten", erzählt er. Kurzzeitig obdachlos, habe er für 150 Dollar einen schrankgroßen Büroplatz im Taft Building in Hollywood gemietet, zum Duschen sei er ins Fitnessstudio nebenan gegangen. "Das war hart."

Dann lernte er Uschi Obermaier kennen. Und war direkt fasziniert von der Frau, die sich selbst schon mal als "Viech" bezeichnete, und deren Leben er dokumentieren wollte. Ursprünglich als Drehbuch gedacht, wurde später das Buch daraus.

Bewusstseinserweiternd war auch die Entdeckung der Welt der Halluzinogene ("Luzifers Lichtgarten" heißt ein Sachbuch Kraemers aus dem Jahr 1997), der magischen Pilze und des Hedonismus. Er ging durch "das Portal in eine andere Ebene", wie er es formuliert, hat den Ober-Hippie Timothy Leary kennengelernt und das Zauberwerk von Carlos Castaneda. "Ich war kurz davor, das bürgerliche Leben aufzugeben." Aber das sei ihm dann doch "zu heiß" geworden.

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In seinem Film "5 Frauen" gibt es eine Szene, da passieren schlimme Dinge nach einem pilzreichen Mahl. Verschwommene Bilder in der Dunkelheit verdrängen die südfranzösische Helligkeit des Beginns. Angst greift um sich, Wahn und Gewalt. Ein Sinnesrausch, auch visuell. "Das Kino schreit nach Drogenerfahrung und Sinnlichkeit", sagt Kraemer und geht noch einen Schritt weiter, wenn er über Drogentrips sagt: "Ich glaube, das ist der Ursprung des Films."

Olaf Kraemer ist nicht nur musikalisch und wortkundig, er ist auch ein visueller Mensch. Sein Regiedebüt, ein Psycho-Thriller weitab vom Mainstream, spielt mit Licht und Schatten, hinreißenden Bildern. Als das Drama 2016 beim Filmfest München aufgeführt wurde, da war das "eine absolute Hollywood-Situation", wie er sagt. Die Zusammenarbeit mit den einlullenden Schauspielerinnen, darunter Korinna Krauss, Julia Dietze, Odine Johne, sei sehr erfüllend für ihn gewesen. Und auch fordernd: "Die sagen schon, wenn ihnen was nicht passt."

Kraemers nächste Arbeit soll "Lilith" heißen, erneut mit starkem Frauenfokus. Ein weiteres Projekt rückt indes die Männer in den Vordergrund: ein Spielfilm über die jungen Jahre des Rio Reiser. So schließt sich auch der Kreis zur Musik.

5 Frauen , Filmvorführung und Publikumsgespräch mit Olaf Kraemer, So., 7. Mai, 20.30 Uhr, Monopol; weitere Kinos und Spielzeiten siehe Kinoprogramm

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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