Kino: Küss den Frosch:Konditionierung im Kinderzimmer

"Disney sollte sich schämen": Die erste afroamerikanische Disney-Prinzessin, im Dezember erwartet, löst schon jetzt Kontroversen aus.

Tobias Kniebe

Ihr Kleid ist weiß wie Schnee, ihre Lippen sind rot wie Blut, ihre Haut ist schwarz wie Ebenholz... okay, das stimmt nicht ganz, der Hautton ist eher ein glamouröses Kaffeebraun. Und doch: Prinzessin Tiana, eine altmodische, handgezeichnete Animationsfigur, die im Dezember weltweit in die Kinos kommt, wird tatsächlich die erste afroamerikanische Heldin im traditionsreichen Imperium der Disney-Prinzessinnen sein. "The Princess and the Frog", im Deutschen "Küss den Frosch" soll der Film heißen, der von den Veteranen Ron Clements und John Musker inszeniert wird, eine Abwandlung des Märchens vom Froschkönig.

Kino: Küss den Frosch: Die erste afroamerikanische Heldin in einem Disney-Film: Prinzessin Tiana in "Küss den Frosch".

Die erste afroamerikanische Heldin in einem Disney-Film: Prinzessin Tiana in "Küss den Frosch".

(Foto: Foto: Walt Disney)

Wurde aber auch Zeit, könnte man meinen. Mit "Mulan", "Pocahontas" und Jasmine aus "Aladdin" hat Disney schon chinesische, indianische und arabische Heroinen fürs Kinderzimmer produziert, da konnte es nicht länger angehen, dass zwar in der Wirklichkeit ein schwarzer Präsident existiert, im Reich der Phantasie aber keine schwarze Prinzessin.

Wie groß die Lücke ist, die da jahrzehntelang klaffte, zeigt sich so recht erst jetzt: Obwohl das Studio nur wenige Bilder und einen einminütigen Teasertrailer veröffentlicht hat, wird keine Produktion in Hollywood derzeit argwöhnischer beobachtet - und schon vorab kritisiert.

Zu recht? Eine fertiggestellte Szene, die Mark Zoradi, der Präsident der Walt Disney Studios Motion Pictures Group, Anfang Mai vor Kinobesitzern und Brancheninsidern in München präsentierte, zeigt eine kulleräugige, sangesfreudige Schönheit mit eindeutig afroamerikanischen Gesichtszügen. In gemäßigtem New-Orleans-Dialekt liefert sie sich ein recht modernes Rededuell mit einem vorlauten grünen Frosch, der sich als "Prinz Naveen" zu erkennen gibt und vom Dialekt her ebenfalls klar als Afroamerikaner einzuordnen ist. Nach einigem Hin und Her lässt sich die Prinzessin herab, das Tier tatsächlich zu küssen - nur um sich dann selbst schlagartig in einen Frosch zu verwandeln. Der Fluch, der hier am Werk ist, hat eindeutig stärkere Wirkungsmacht als noch bei den Gebrüdern Grimm- und gemeinsam mit einem Glühwürmchen und einem Alligator muss das Paar sich auf die Suche nach Erlösung machen. Also ein echter Amphibienfilm.

Die Kritiker des Projekts kennen nicht einmal diesen kurzen Clip. Und vermuten doch, auf heiklem Terrain, zunächst einmal das Schlimmste. Das ging schon in der Drehbuchphase los, als der geplante Name der Figur bekannt wurde: Maddy, als Kurzform für Madeleine, klang zu sehr nach Unterschicht und nach Mammy, einer rassistischen Bezeichnung für schwarze Frauen. Außerdem sollte Maddy als Zimmermädchen bei einer Weißen arbeiten - gefährlich nah an der Sklaverei. So wurde als neuer Name Tiana gefunden, auch ein neuer Job musste her: Jetzt ist die Figur Kellnerin bzw. Köchin. Das ändert zwar nichts daran, dass sie einen großen Teil des Films als Frosch verbringen muss - aber dieser Twist der Geschichte war wohl nicht verhandelbar.

Lustvoll zelebrierte Stereotypen

Inzwischen richtet sich die Kritik, die beispielsweise auf der Website BlackVoices.com formuliert wird, auch eher gegen das Erscheinungsbild des Prinzen. Erste Fotos in seiner menschlichen Erscheinungsform zeigen ihn "mehr weiß als schwarz", wie es heißt - und da hilft es auch wenig, dass seine Stimme von einem brasilianischen Schauspieler gesprochen wird und Disney die Figur als schwarz bezeichnet. "Sein Haar und seine Gesichtszüge sind eindeutig nicht-schwarz", protestiert zum Beispiel die Webautorin Angela Bronner Helm. "Disney hält einen schwarzen Mann offensichtlich nicht für würdig, den Titel Prinz zu tragen. Viele in der community schütteln den Kopf, teilweise verwirrt, teilweise voller Zorn."

"Disney sollte sich schämen", sekundierte der Kolumnist William Blackburn im Gespräch mit dem Daily Telegraph. "Diese Geschichte ausgerechnet in New Orleans spielen zu lassen - am Ort einer der größten Tragödien, die über die black community hereingebrochen ist."

So angespannt scheint die Lage, dass wohl kein Geschichtenerzähler der Welt es derzeit allen interessierten Parteien recht machen könnte - auch wenn Disney beteuert, genau das zu versuchen. "Wir sehen uns in der Verantwortung, alles richtig hinzukriegen", kommentiert der Disney-Produzent Peter Del Vecho. "Jede künstlerische Entscheidung wird sorgfältig überdacht."

Was sich hier tatsächlich zeigt, ist der enorme kulturelle Einfluss, der Disney immer noch zuerkannt wird, wenn es um Konditionierung im Kinderzimmer und den Einfluss auf das jüngste Publikum geht. Eine Machtposition, die der Konzern eifersüchtig hütet und mit allen Mitteln verteidigt - die aber, wie man sieht, die Möglichkeiten seiner Filmemacher mehr und mehr einschränkt.

Animationsfilm ist per se Karikatur - und Karikatur lebt nun einmal auch von lustvoll zelebrierten Stereotypen. Eine aussterbende Kunst: Fünf Jahre ist es her, dass der letzte von Hand gezeichnete Disneyfilm in die Kinos kam - "Küss den Frosch" wird also auch der Versuch sein, der allgegenwärtigen, eher sterilen, politisch ungefährlicheren Computeranimation noch etwas entgegenzusetzen. Sollte das Ergebnis am Ende unangreifbar sein, perfekt in allen Hauttönen und Differenzierungen, aber leider langweilig - dann dürfte es auch der letzte Versuch gewesen sein.

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