Kino: In meinem Himmel:Nutzlose Schönheit

Eine 14-Jährige wird ermordet. "Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson lässt sie aus dem Vorhimmelreich erzählen. Dabei holt er nur zu stark Luft.

Fritz Göttler

Ja, das ist ein schreckliches Ende für die junge Susie Salmon, weil es auf eine ganz infame Weise mit einem Gefühl von Geborgenheit verbunden ist, ihr Mörder lockt sie in ein Häuschen, das er nur für sie gebaut hat, im Schoß der Erde mitten auf einem Feld, und er redet ihr mit sanfter Stimme zu, bevor er sie vergewaltigt und sein Rasiermesser zückt.

Kino: In meinem Himmel: "Ich war vierzehn, als ich ermordet wurde", erzählt uns Susie zu Beginn aus dem Off.

"Ich war vierzehn, als ich ermordet wurde", erzählt uns Susie zu Beginn aus dem Off.

(Foto: Foto: Filmverleih)

Stanley Tucci spielt ihn mit sanfter Beharrlichkeit, ein unscheinbarer schrulliger Nachbar, ein Tüftler des Todes, der nicht alles so perfekt vorausplanen - und dann die Spuren seiner Taten wieder verwischen - kann, wie er das gern hätte. Auch das Schicksal kann, wie sich zum Schluss herausstellen wird, ein ganz schön cleverer Hobbybastler sein.

Ich war vierzehn, als ich ermordet wurde, erzählt uns Susie zu Beginn im Off, am 6.Dezember 1973 - damit übernimmt der Film die vertrackte Erzählposition des zugrunde liegenden Romans von Alice Sebold.

Der hat, als er in den Wochen nach dem 11. September 2001 erschien, voll in die Trauer, die Entgeisterung, den Wirklichkeitsverlust Amerikas hineingetroffen und ist zum Bestseller geworden. Nach ihrem Tod trödelt Susie (Saoirse Ronan, die kleine Schwester von Keira Knightley in "Abbitte"), wie Kinder das tun auf dem Weg zur Schule, ein wenig durch ein Vorhimmelreich, ganz supersurreal, weil im Computer zusammengebastelt, Kornfelder schlagen Wellen, Eisrosen blühen im See, ein kleiner Pavillon lädt zum Verweilen in den Erinnerungen. Susie versucht Kontakt aufzunehmen zur Familie, ihnen bei der Trauerarbeit zu helfen und bei der Suche nach dem Mörder.

Die großen Dimensionen

Von Schauern der Heimatlosigkeit wird der Film durchzogen, ratlos geht der Blick hin und her zwischen Vergangenheit und Zukunft. Wer macht es sich nun schwerer, die Toten, die sich ihrer schönen neuen Welt nicht erfreuen wollen, oder die Lebenden, die nicht Abschied nehmen von ihren Toten. Immer wieder kehrt der Film an den Rand einer Müllkippe zurück, wo der Ballast der Vergangenheit entsorgt werden kann.

Die größte Heimatlosigkeit, die größte Sehnsucht sind womöglich die des Filmemachers Peter Jackson. Er wollte mit diesem Film nach langjährigen Exkursen ins große Spektakel - "Herr der Ringe" und "King Kong" - zu seinen Anfängen zurück, jenen bizarren, bösen Horrorfilmen der Neunziger wie "Bad Taste" und "Braindead", die unkomplizierte kleine Splattermärchen waren, ohne Rücksicht auf den guten Geschmack, aber dynamisch und gefräßig und also sehr vital.

Aber die großen Dimensionen spuken immer noch in Jacksons Hinterkopf, er holt immer ein wenig zu stark Luft, und sein neuer Film kommt einem vor wie ein Anzug, der ein paar Nummern zu groß ist und haltlos um die Knochen schlottert. Nur Susan Sarandon ist wie eine Botin aus der bösen alten Jackson-Urwelt, die Mutter, die zu Hilfe gerufen wird in der Stunde der Verzweiflung, das wandelnde Realitätsprinzip, sie legt einen aufgedonnerten Auftritt hin, die Zigarette im Mund und eine Portion lebenskluger Sprüche parat, und zieht als Erstes die Whiskeyflasche aus ihrer Tasche.

Aber auch sie schafft es nicht gegen die Beharrungskräfte des amerikanischen Mittelstands, die sich nähren aus Beschränktheit und Melancholie. "In meinem Himmel" ist Kino en miniature, die Suburb als Puppenheim, in dem alles seinen Platz hat, wo jedes Tischchen und jedes Bord vollgestopft sind mit Nippes - Erinnerungsstücken jeglicher Couleur, aber was kann man anfangen mit so vielen Erinnerungen!

Selbst Caspar David Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer, er hängt in Vater Salmons Bastelstube an der Wand, wird rigoros die Luft abgeschnürt zwischen all dem Kram. Da hockt der Vater (Mark Wahlberg als wuscheliger Langweiler) und schiebt behutsam seine Flaschenschiffchen durch den Hals. Herzzerreißend ist deren Schönheit, so vollkommen, so fragil, so nutzlos.

THE LOVELY BONES, USA/GB/ Neuseeland 2009 - Regie: Peter Jackson. Buch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson. Nach dem Roman von Alice Sebold. Kamera: Andrew Lesnie. Musik: Brian Eno. Schnitt: Jabez Olssen. Mit: Saoirse Ronan, Mark Wahlberg, Rachel Weisz, Susan Sarandon, Stanley Tucci. Sony, 136 Minuten.

Im Video: Filmfans haben eine ganz schwere Woche vor sich: Denn was diese Woche an großartigen Filmen in unseren Kinos startet, hätte auch für einen ganzen Monat gereicht. Darunter der neue Film von "Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson.

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