Kino in der Krise:Gute Nacht, Hollywood, und viel Glück!

In der Not fressen die Filmproduzenten politische Stoffe - am Ende könnte die große Krise des Kinos zu einer Neubelebung führen. Einer der Vorreiter ist Schauspieler und Produzent George Clooney.

Susan Vahabzadeh

Mit Botschaften hatte Hollywood eigentlich nie besonders viel im Sinn. Wenn du eine Nachricht verschicken willst, so lautet ein legendärer Satz des Studiomoguls Louis B. Mayer, dann schick ein Telegramm. Was schon damals, in der großen Ära des Studiosystems, dazu führte, dass sich die Filmemacher im Nachrichtenschmuggel übten, wenn sie Kino politisch machten.

George Clooney

George Clooney in "Good Night, and good luck!"

(Foto: Foto: rtr)

Im Moment ist es eher ein offener Handel mit politischen Botschaften, der im Post-9-11-Hollywood auf den Leinwänden stattfindet.

Schon in Venedig gaben sich die amerikanischen Wettbewerbsbeiträge politisch und provokant und waren siegreich damit: Ang Lees bewegende schwule Liebesgeschichte "Brokeback Mountain" bekam den Löwen, und George Clooney wurde fürs Drehbuch seiner zweiten Regiearbeit "Good Night, And Good Luck" ausgezeichnet, in der es um Versuche geht, sich gegen die Kommunistenjagd von Senator McCarthy zu wehren. Und das war erst der Anfang.

Stephen Gaghan, der "Traffic"-Autor, verfilmte in "Syriana" die kontroversen Erinnerungen des ehemaligen Nahost-CIA-Agenten Robert Baer, mit George Clooney als Produzenten und Darsteller.

Erfolg durch Provokation

Steven Spielberg sorgt gerade für Diskussionen über die Mossad-Verfolgung der Olympia-Attentäter von 1972 mit "Munich". Paul Haggis, der Autor von "Million Dollar Baby", brachte im Sommer sein Regiedebüt "L.A. Crash" über Rassismus in Los Angeles ins Kino.

"The Constant Gardener/Der ewige Gärtner", eine John-le-Carré-Verfilmung von "City of God"-Macher Fernando Meirelles mit Ralph Fiennes, erzählt im Thriller-Gewand von der Ausbeutung Afrikas. In Andrew Niccols "Lord of War" mit Nicolas Cage geht es um Waffenhandel unter besonderer Berücksichtigung amerikanischer Außenpolitik.

Der "American Beauty"-Regisseur Sam Mendes nahm sich die finsteren Erinnerungen eines Veteranen aus dem ersten Golfkrieg vor - den Erfolgsroman "Jarhead", in dem die Marines überwiegend sinnlos durch die Wüste irren.

Warum das so ist? Filme, erklärte George Clooney unlängst im Branchenblatt Variety, "neigen dazu, das zu reflektieren, was die Gesellschaft bewegt". Also: die Übermacht der Medien, Krieg, heftige konservative Strömungen, die neuen Brüche in der Gesellschaft.

Amerikanische Filme spiegeln aber nicht nur, was die Gesellschaft derzeit bewegt, sondern auch, wie Hollywood versucht, mit dem gesellschaftlichen Klima umzugehen - und dabei auch die gegenwärtige Einspielmisere zu korrigieren: angesichts eines Besucherschwunds, den langfristig weder steigende Eintrittspreise ausgleichen können noch der DVD-Markt, der auch nicht mehr lange eine Superwachstumsbranche sein wird.

Die Krise trifft das klassische Unterhaltungskino am stärksten. Filme, hat Spielberg in seinem Interview noch einmal betont, das er Time zu "Munich" gegeben hat, Filme können nicht die Welt verändern.

Das ist natürlich richtig; aber einen Einfluss darauf, wie wir die Welt sehen, haben sie. Und vor allem können sie die Kinobranche verändern, das System, das sie hervorbringt - und so auch das Publikum mobilisieren.

Genau das scheint im Augenblick die Hoffnung zu sein. Es sind plötzlich Filme machbar geworden in Hollywood, an denen noch vor ein paar Jahren kein Produzent Interesse hatte.

Das sagt auch Clooney über die Vorbereitungen zu "Good Night" und "Syriana": "Es gab damals kein Studio, das damit zu tun haben wollte. Heute wären sie scharf darauf."

Große Jahre für Paramount

Clooney war schließlich dabei, als David O. Russell vor sechs Jahren seinen Golfkriegsfilm "Three Kings" drehte - eine wesentlich leichtere Kost als Mendes' von verbrannten Leichen gesäumte Straße nach Bagdad.

Russell hätte es damals fast nicht geschafft, das Projekt überhaupt durchzubringen. Jetzt sieht es anders aus. Manchmal fördert die Verzweiflung die Waghalsigkeit - wenn die bewährten Rezepte nicht mehr greifen, ist alles erlaubt, was helfen könnte - selbst wenn dabei ein Blick in die Abgründe menschlichen Versagens und politischen Scheiterns gewagt werden muss.

Hollywood war schon einmal in einer ähnlichen Situation - Ende der Sechziger, als es auch einen Krieg gab, der von einer Mehrheit des Publikums nicht mehr getragen wurde. Auch damals steckten die Studios in einer Krise. Was seinerzeit folgte, war eine Blütezeit des amerikanischen Films: New Hollywood.

Der Großindustrielle Charles Bluhdorn kaufte die marode Paramount und engagierte den jungen Produzenten Robert Evans - ein waghalsiges Unternehmen, das der Paramount einige großartige Jahre bescherte. Denn Evans setzte auf Francis Ford Coppola, der den "Paten" lieferte, an den zunächst niemand glauben mochte, auf den schwierigen Polanski, der "Rosemary's Baby" machte.

Bei der Columbia ließ man Martin Scorsese "Taxi Driver" drehen. Robert Altman, William Friedkin, Hal Ashby und Peter Bogdanovich, sogar der New Yorker Autor Woody Allen - die Filme, die sie in den Siebzigern drehten, machten New Hollywood aus.

Viele der Filme, die damals entstanden, sind rabenschwarz, gewalttätig und pessimistisch, geprägt vom Trauma des Vietnamkriegs, dem Aufeinandertreffen der Flower-Power-Illusionen von friedlicher Freiheit und einer brutalen Wirklichkeit.

"Damals hat die Filmkultur das amerikanische Leben herausdestilliert wie nie zuvor und nie wieder", resümiert Peter Biskind in seinem Buch "Easy Riders, Raging Bulls".

Erfolg oder subversiv sein?

Es ging eben nicht, wie in den Neunzigern, als die Independent-Filmemacher begannen, die großen Studios zu erobern, um eine brancheninterne Entwicklung, sondern um mehr.

Vom Sturm der unabhängigen Regisseure auf die heiligen Stätten des Mainstreams ist nach anderthalb Jahrzehnten allerdings nicht viel mehr übrig geblieben als der kommerzielle Erfolg von ein paar Filmen, die klüger waren als "Terminator" und trotzdem ein großes Geschäft - "Sex, Lies and Videotape" etwa, oder "Pulp Fiction".

Im Moment kann eine neue Bewegung von Filmemachern sich wiederum auf gesellschaftliche Veränderungen einlassen - wobei sie die Wahl haben, sich der neuen Ordnung zu unterwerfen oder aber subversiv zu werden. Bei der Entscheidung wird aber für viele vor allem eine Rolle spielen, ob mit diesen Filmen Geld zu machen ist.

Wenn Hollywood in den letzten Jahren eher vorsichtig gewesen ist, dann liegt das daran, dass die zu Großkonzernen gehörigen Studios mehr denn je alles fürchten, was den prekären Erfolg an der Kinokasse beschädigen könnte.

Ein Beispiel wie Paul Haggis' "L.A. Crash" aber, den der Verleih in den USA offensiv, nämlich tatsächlich als Film über Rassendiskriminierung bewarb, kann durchaus Schule machen - der Film wurde für nur sechs Millionen Dollar gedreht und hat längst das Vielfache eingespielt.

Und auch der CIA-Film "Syriana" hat es in der ersten Woche seines Einsatzes immerhin auf Platz zwei der amerikanischen Box-Office-Charts gebracht.

Das sind für jeden Regisseur, der in Hollywood ein auch politisch ambitioniertes Projekt durchbringen will, gute Nachrichten: Im Zweifelsfall kann man sich darauf verlassen, dass auch der abgebrühteste Studiomanager sich wohler fühlt, wenn er stolz sein kann auf die Filme, die er finanziert hat.

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