Kino: Im Oktober werden Wunder wahr:Der kleine Moses aus dem Puff

Zwischen Charles Dickens und Nick Hornby: In dem peruanischen Film "Im Oktober werden Wunder wahr" findet Pfandleiher Clemente eines Tages ein Baby vor seiner Tür.

Stephanie Drees

Glaube und Aberglaube sind Geschwister, manchmal kann man sie kaum voneinander unterscheiden.

Im Oktober werden Wunder wahr

Bruno Odar als Pfandleiher Clemente, der eines Tages Baby Moses vor seiner Tür findet.

(Foto: Neue Visionen)

In ihrem Film Lourdes hat vor einigen Monaten Jessica Hausner den glamourösen, den Star-Aspekt eines Marienwunders erforscht. Mit ihrem Debütfilm Im Oktober werden Wunder wahr präsentieren die Brüder Daniel und Diego Vega eine wundersame Episode aus ihrer Heimat Peru - der Film wurde im Frühjahr auf dem Festival in Cannes in der Reihe "Un certain regard" ausgezeichnet.

Der Pfandleiher Clemente (Bruno Odar) erwartet nicht viel vom Leben, und er hat nur wenig, an das er glaubt, vor allem das Prinzip von Geben und Nehmen, Angebot und Nachfrage. Mit stoischem Blick zieht er die Habseligkeiten der kleinen Leute von Lima über den Tisch, Schmuck, Toaster und Schallplatten wandern über die Fläche, Hehler, Mütter und Obdachlose betteln und feilschen in seinem Laden.

Der kreisrunde Tisch ist der Fluchtpunkt in vielen Szenen dieses Kammerspiels, und Clemente hält sich damit das triste Leben auf Distanz zu seinem wohlgenährten Bauch. Bis er eines Tages doch unausweichlich mit ihm konfrontiert wird - er erhält ein Paket mit rosafarbenen Schleifchen, darin liegt ein Säugling, aus dem Puff, in dem Clemente häufiger verkehrt. Für ihn eine Art deus ex machina, der ihn rettet aus dem Trott seiner Krämerexistenz in einer wundersamen Entwicklung.

Thematisch befindet man sich in diesem Film zwischen Charles Dickens und dem Coming-of-age-Humor eines Nick Hornby. Der Erzählrhythmus der Brüder Vega ist sanft und leise, in ruhigen, fast statischen Bildern, die mit ihrer Symmetrie und klaren Ästhetik den realistisch harten Alltag untermalen - ein wunderbarer Nährboden für Kultisches.

Ein Slip im Wasserglas

Den Mythen, die sich rund um den institutionellen Glauben drehen, geben die Regisseure reichlich Spielraum, ihr Film spielt mit den folkloristischen Elementen der Religion. Den rituell-bombastischen Prunk auf peruanischen kirchlichen Prozessionen kontrastieren sie mit Bildern, die viele kleine Begehrlichkeiten der Figuren offenbaren.

Momente, in denen der Glaube zu etwas Heiligem wird, einfach, weil er Handlungsspielräume eröffnet. In diesen Momenten - geduldige Close-ups auf Gesichter und Gegenstände, kleine Stillleben der Skurrilität - vermag der Film immer wieder zu überraschen, trotz seiner vorhersehbaren Charakterentwicklung und Dramaturgie.

Zusammen mit dem kleinen Moses aus dem Puff kommt auch die Frau in Clementes Haus: Sofia. Zuerst soll sie nur das unliebsame Findlingsbalg hüten, aber damit will sie sich nicht begnügen. So mischt sie, um den drögen Clemente auf Touren zu bringen, einen wundersamen Liebestrank in sein Wasserglas - dessen Zubereitung intensiv mit ihrem Slip zu tun hatte.

OCTUBRE, Peru 2010 - Regie und Buch: Daniel und Diego Vega . Kamera: Fergan Chavez-Ferrer. Mit: Bruno Odar, Gabriela Velasquez, Carlos Gasols, Maria Carbajal. Neue Visionen, 93 Minuten.

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